Trotziger Angriff in Richtung Westen – Der letzte Einsatz der 260. Division im Sommer 1944

Die schweren Angriffe der sowjetischen Großoffensive begannen für unsere Division am 22. Juni 1944.

Sie war in dem Raum südostwärts Orscha, etwas nördlich Gorgi, verlegt worden. Das Regiment „List“ (Grenadierregiment 199, 57. Infanteriedivision) unter Oberstleutnant König war der 260. Infanteriedivision längere Zeit unterstellt. Am 23. Juni hat die Division, während die beiden Nachbarn (rechts 110. Infanteriedivision, links 25. Panzergrenadierdivision) bereits nachgeben mussten, alle Einbrüche abgeriegelt oder durch Gegenstoß beseitigt. Regiment 480 (Oberst Friker) war damals bei der 78. Sturmdivision (links von der 25.Panzergrenadierdivision) eingesetzt und in die Naht zwischen 4. Armee und der 3. Panzerarmee geschoben worden. Das Regiment wurde vom 22. Juni bis zum 25. Juni bis auf 80 Mann, dabei sehr wenig Vermisste, aufgerieben.

Auf der Rückfahrt von der Armee traf ich, nachdem ich bei der 78. Sturmdivision erfahren hatte, das dass Regiment hervorragend, aber sehr schwer gekämpft habe, Oberst Friker. Als dieser nördlich des Orschakreuzes mit kleinstem Stab die Nord-Süd Straße überquert hatte, ging er daran nochmals einen Gefechtsstand aufzubauen. Er erzählte mir, dass am ersten Kampftag bereits alle Kompanieoffiziere des Regiments bis auf zwei ausgefallen seien und das Regiment jeweils solange die Stellung gehalten habe, bis es völlig eingeschlossen, sich nach rückwärts durchschlug, um sofort wieder eine neue HKL zu bilden.

In diesen Augenblick war das Regiment beim dritten Durchbruch; ein Bataillon war noch eingeschlossen. Oberst Friker führte eine Kampfgruppe aus dem Grenadierregiment 480 unter Major Ostermeier, der vorher ein Bataillon von 480 hatte, und ein Regiment der 78. Division unter Major Nädele, der bisher ebenfalls ein Bataillon von 480 führte. Dazu kamen Einheiten von Sicherungsregimentern.

Nach Rückkehr fand ich bei der Division alles so vor, wie man es auch in schwersten Kämpfen nie anders gewohnt war: Die Stellung gehalten, alles klar und bestimmt geführt. Die Truppe hatte sich hervorragend geschlagen. Als ich am 25. Juni Sonderverpflegung zum GR 480 bringen wollte, wurde dies mit der Begründung verboten, das Regiment sei endgültig eingeschlossen oder sogar vernichtet.

An diesem Tag sollte zunächst in Sprüngen zum Dnjepr zurückgegangen werden. Das Absetzen wurde dann jedoch mir Rücksicht auf die Lage bei den Nachbarn beschleunigt. Die Division überschritt am 26. und 27. Juni bei Kopys den Strom, südlich Orscha.

Das Grenadierregiment 480 (Oberst Bracher) sollte nördlich davon möglichst verlastet – hierzu machte ich den größten Teil meiner Verwaltungsfahrzeuge frei – zu einem Gegenangriff herangebracht werden, um eine Lücke an der großen Rollbahn westlich Orscha zu schließen. Dieser Angriff kam meines Wissens nicht mehr zur Ausführung, weil der Russe zu schnell vorwärts gekommen war.

Am Nachmittag des 26. Juni wollte ich die Verwaltungseinheit über Kochanowo nach Tolotschin führen. Das war nicht mehr möglich. In Staroselje fluteten Teile des VI. Korps (3. Panzerarmee) und der linken Nachbardivision nach Süden. Russische Panzer sollten bereits bei Kochanowo und Tolotschin stehen. Ich setzte daraufhin meine Einheit nach Westen in Marsch mit dem Auftrag, sich nach Borissow durchzuschlagen und von dort aus die Division zu versorgen. Weiter erfuhr ich dass der Russe den Dnjepr bei Schkloff überschritten und Orscha zum Teil bereits genommen hat.

Oberstleutnant von Tresckow (1. Generalstabsoffizier) wollte, als ich ihn um Mitternacht ereichte, auf Grund eigener Informationen dies alles nicht glauben. Die Meldung wurde jedoch kurze Zeit darauf bestätigt durch den Adjutanten von Oberst Friker, Oberleutnant Böhm, der zu seinem Kommandeur nach Orscha durchkommen wollte und die Stadt auch von Süden eingeschlossen fand.

Während die Division in aller Ordnung noch am 27. Juni, besonders mit dem Grenadierregiment 470 (Oberstleutnant Strohm) den Dnjepr überschritt, hatte der Russen in den Morgenstunden des 27. Juni mit Panzern und aufgesessener Infanterie Staroselje genommen und griff uns von dort nach Westen an in Richtung auf Markowo, wo unser Ib lag.

Eine entgegen geworfene Alarmkompanie aus Leuten des Stabes und der Verwaltungstruppen wurde aufgerieben. Dazu kam im letzten Augenblick noch ein von Hauptmann Gerey (früher Adjutant beim Infanterieregiment 460) geführtes Alarmbataillon. Nachmittags entschloss sich das Korps zum Durchstoß nach Südwesten.

Während das Regiment 470 Staroselje angriff und vorübergehend nahm, marschierte die Division nach Süden. Der Übergang über einen kleinen Fluss machte enorme Schwierigkeiten (bei Toriza), es gab unglaubliche Verstopfungen. Die schweren Wagen der Heerestruppen und der Flak fuhren die schwachen Brücken zusammen.

Ich erkundete eine geeignete Marschstraße weiter südostwärts. Das Grenadierregiment 460 wurde darauf mittags in diese neue Richtung abgedreht. Oberst Bracher riss nun alles schwungvoll mit, auch einige Panzer und Selbstfahrlafetten.

In seinem Schwimmwagen trug er an der Spitze den Angriff vor. Ich konnte das gut beobachten, weil ich als Ordonanzoffizier auf einem Krad mit Beiwagen hinter ihm herfuhr. Der Oberst wollte bis zum Drut durchstoßen. Das Bataillon Vincon hatte zum Teil schwer zu kämpfen und erlitt große Verluste. Schließlich musste Oberst Bracher auf Grund wiederholter Korpsbefehle halten.

Darauf ritt er um 23:00 Uhr selbst einen Spähtrupp, um Weg und Gelände für den Angriff bis zum Drut zu erkunden. Kurz nach seiner Rückkehr lies er antreten und ging mit mir voraus.

Sein Vorhaben wurde jedoch durch anrollende Teile der 25. Panzergrenadierdivision gestört. In diesem Augenblick kam Generalmajor Klammt mit Oberstleutnant von Tresckow und Oberst Friker herangefahren. Diesem war es inzwischen gelungen, mit Generalleutnant Traut (78. Sturmdivision) und Major Ostermeier sich weiter zu uns durchzuschlagen. Er hatte dabei Teile seiner Division nachgebracht.

Man fuhr weiter, um mit der 25. Panzergrenadierdivision Verbindung aufzunehmen. Bei Anfahrt an ein Dorf wurden wir durch Maschinengewehre aus nächster Nähe aus dem Wagen geschossen. Während Oberstleutnant von Tresckow und ich unter heftigen Beschuss in einer Sumpfniederung festgehalten wurden, gelang es dem Fahrer, zu wenden und General Klammt mit dem Obersten Bracher und Friker bei einem Getreidefeld aufzunehmen und zurückzufahren.

Später wurde der Reiterzug unter Oberleutnant Jäckel losgeschickt um uns zu suchen. Er wurde aber durch MG-Feuer ebenso zurück getrieben und ritt an uns vorbei. Es gelang aber mit einigen Reitern, die im Sumpf nicht weiter gekommen waren, sich im Nebel durchzuschlagen.

Am 29. Juni führte das Regiment Bracher planmäßig den Angriff über den Drut hinweg. Die Division kam jedoch nicht weiter, weil die Brücke erst neu gebaut werden musste, die meines Wissens auch von deutschen Einheiten abgebrochen worden war (110. Infanteriedivision).

Nachmittags schien die Lage sehr aussichtslos. General Klammt meinte, wir müssten uns darauf einrichten, wie Partisanen zu leben und zu kämpfen. Wir waren wohl etwas südlich Krugloje, das bereits russisch war. Das Regiment Bracher hatte auf dem Westufer mit eigener Kavallerie Fühlung aufgenommen, die aber gegen Abend wieder verloren ging. Oberst Friker wurde an diesem Tag durch Granatsplitter am Kopf verwundetet.

Ich selbst erhielt nun volle Bewegungsfreiheit. Meinen Wagen hatte ich mit Stabszahlmeister Dietz dem Regiment Bracher überlassen, ebenso meine Karte. Durch die Verzögerung des Brückenbaus entstanden sehr große Ansammlungen.

Als um 19:00 Uhr die Infanterie mit der Masse der Gefechtstrosse die Brücke überschritt, konnten die Verkehrsregler bei den folgenden motorisierten Kolonnen kaum durchgreifen. Die Ib Staffel mit ihren Fahrzeugen sollte erst nach Teilen der Artillerie kommen und konnte frühestens gegen 03:00 Uhr an der Brücke sein.

Major Ostermeier sah ich bei dieser Gelegenheit zum letzten Mal als Verkehrsregler an der Brücke. Besonders Leutnant Rüpel und Kriegsgerichtsrat Jansen hatten eine sehr schwere Aufgabe angesichts des unvorstellbaren, wahnsinnigen Durcheinanders bei diesem Flussübergang.

Um 24:00 Uhr ungefähr ging ich zu Fuß über die Brücke und erreichte schließlich die Führungsstaffel. Nach einer Kommandeurbesprechung im Morgengrauen erhielt ich von General Klammt am 30. Juni den Auftrag, einen noch vorhandene Personenwagen zu nehmen und zu versuchen, mit dem angreifenden Regiment durchzustoßen, von der vor uns marschierenden Division für die am meisten engesetzten Kampfgruppe Brot zu erbitten, irgendwie eine Kolonne zu organisieren und von einem Versorgungsstützpunkt an der Beresina für die Division das nötigste heran zu fahren.

Jeder Halt der Division gab den sowjetischen Fliegern beste Gelegenheit, die parkenden Wagen zusammen zu schießen, war doch auf einer schmalen „Wald und Wiesen Straße“ alles zusammengedrängt, was zum Korps gehört und sonst mit durchzukommen suchte, Das schlimmste war das nicht nur mehrere Divisionen eines Korps, sondern Teile mehrerer Korps die sogar verschiedenen Armeen angehörten, in den Marschweg der Division gedrängt worden waren.

Grenadierregiment 460 und das Regiment „List“ waren meist an der Spitze, Grenadierregiment470 bildete die Nachhut.

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