September 1943: Übergang im September

Wir haben 1941 die großen russischen Flüsse kennen gelernt.Da war zuerst Napoleons Schicksalsfluss, die Beresina, der 1944 auch unser Schicksal wurde. Dann der Dnjepr. Über die Desna gingen wir 2-mal im Schlauchboot. Einmal bei Nacht, einmal bei Tag. Auch die Oka bei Kaluga wurde bei Nacht im Schlauchboot überquert. 10 Tage später wurde ich als MG-Schütze  bei Alexin verwundet und der Brückenkopf Kremenki  und der strenge Winter blieben mir so erspart.

Divisionsübung März '41 - Übersetzen mit Schlauchboot

Divisionsübung März ’41 – Übersetzen mit Schlauchboot

Bei meinem zweiten Russlandeinsatz hatte ich es mit einem nassen Übergang zu tun. Zudem wusste ich damals noch nicht, wie dieser Fluss hieß, ich habe erst später erfahren das es die Oster war, die in die Desna mündet. Das war im September 1943 südlich von Smolensk.

Ich hatte die Nachhut zu bilden und mich bei stärkerem Feinddruck abzusetzen. Man zeigte mir einen markanten Punkt im Gelände, dort sei ein Fluss, wo uns Pioniere übersetzen würden. Wir kamen an den Fluss. Der Übergang lief so ab: Zwei Pioniere hüben und drüben zogen ein notdürftiges Floss über den Fluss. Es wurde uns gesagt, wir sollen hinten drauf stehen. Es war Eile geboten, denn der Russe setzte nach. Immer zwei Mann wurden übergesetzt. Ich dachte, es ein Fluss wie die Enz daheim. Die Tiefe wusste ich nicht, erfuhr sie aber. Als Letzter sprang ich mit einem Kameraden drauf. Die Pionier drüben zogen, aber unser Floss ging unter. Heute weiß ich, wir standen zu sehr in der Mitte. Ein komisches Gefühl, aber wir hatten Glück, das Wasser ging nur bis zum Hals und das Ufer war nicht weit.

Nun war uns gesagt worden, drüben würden wir gut aufgenommen, das war aber nicht wahr, es hieß, „Eingraben“. Zunder von drüben bekamen wir auch schon und ich war patschnass. Die Stiefel, die Magazine der MP, alles voller Wasser. Ich warf es weg, weil es verrostete. „Anspruchslose Infanterie, möge Gott dich schirmen“ hieß der Spruch in der Kaserne in Pforzheim. Nun lernte ich die Anspruchslosigkeit kennen. Die Kleider hatten am Leib zu trocknen. Gott sei dank war schönes Wetter.

Infanterie, möge Gott dich schirmen...

Infanterie, möge Gott dich schirmen…

Aber unser MG war hinten zur Reparatur. Ich hatte noch unser gutes altes MG 34. Nun rief einer hinter den Häusern vor: „Ich habe ein repariertes MG“. Er wusste, warum er es nicht herbrachte, er hing zu sehr an seinem Leben. Ich selber dachte, bei dem Beschuss kommt keiner lebend zurück. Ich mochte meine Leute nicht opfern und gab deshalb keinem den Befehl. Nun rief einer: „Ich hole es“. Meine Meinung dazu war: „Ich gebe Dir den Befehl nicht.“

Was ihn dazu trieb, weis ich nicht. Er war sonst ein Bruddler und schimpfte über alles, ein Wengerter (Weinbauer) aus dem Remstal. Aber er rannte los, es waren mindestens 100 Meter bis zum MG, er machte eine kurze Verschnaufpause und rannte mit dem MG zurück. Ich war froh, es war ihm nichts passiert, wir hatten unser MG wieder und waren nicht mehr ganz schutzlos.

Dass ich ihn beim Kompanieführer gelobt habe, hatte er verdient. Zu meiner Situation muss ich sagen, bei jeder anderen Waffengattung wäre ich nach hinten geschickt worden, um die Kleider zu trocknen, deshalb begleitete mich über den ganzen Krieg der Spruch von der anspruchslosen Infanterie.

Der Spruch lautete genau: „Fahl das Auge, blass die Wangen, ruhig in den Tod gegangen. Ohne Rast von spät bis früh, unverzagt in Stürmen, anspruchslose Infanterie, möge Gott dich schirmen.“

Adolf Götz

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