Februar 1942: In der Ugra-Stellung

Am 07. Februar 1942 besetzte das Infanterieregiment 480 mit dem III. Bataillon rechts und dem I. Bataillon links die Ugra-Stellung.

Da aber mit Rücksicht auf die Feindlage beim rechten Nachbarn die 13. Kompanie am Südrand von Ustinowka zum Schutze der rechten Regimentsflanke eingesetzt werden musste, blieb beim III. Bataillon zum Einsatz in der Front nur die 11. Kompanie verfügbar.

Gelaendetaufe Ressa-Ugra

Geländetaufe Ressa-Ugra-Stellung

Dieses sah allerdings zunächst so aus, dass zum Besetzten der neuen Hauptkampflinie lediglich (abgesehen von einigen mittleren Granatwerfern) ein schweres Maschinengewehr zur Verfügung stand, weil die 11. Kompanie restlos als Nachhut, Spähtrupps am Feind und Gefechtsvorposten aufgeteilt war. Erst als diese einzelnen Teile von vorne zurück kamen nahm die Besetzung der Hauptkampflinie Form und Gestalt an. Dieser Vorgang beleuchtet eindeutig die Verhältnisse, unter denen die Ostfront in diesem Winter zu kämpfen hatte.

Bataillonsgefechtstand des III. Bataillons war zunächst Ustinowka, der Regimentsgefechtsstand am Westrand des Dorfes in Bunkern auf dem Friedhofsgelände. Am 07. Februar früh hatte der Russe beiderseits der Rollbahn JuchnowMedyn gegen das Infanterieregiment 470 rechts und das Infanterieregiment 460 links stark angegriffen und dabei auch das I. Bataillon des Infanterieregiments 480 (Kompanie Gölz) mit erfasst, wo ihm ein Einbruch gelungen war. Durch die Divisionsreserve (die Aufklärungsabteilung 260 in Stärke von 50 Mann) wurde er wieder hinausgeworfen, allerdings mit schmerzlichen Verlusten für die Abteilung.

Am 09. Februar übernahm ich dann wieder die Führung des III. Bataillons, da der Regimentskommandeur, Oberst v. Parseval, ins Lazarett ging und Major Dr. Friker die Führung des Regiments übernahm. Am gleichen Morgen stattete der Russe der Feuerstellung einer schweren Feldhaubitzenbatterie am Ostrand von Juchnow einen unerwarteten Besuch ab und sperrte damit vorübergehend auch den Versorgungsweg des Regiments. Er steckte mit stärkeren Kräften in dem großen Wald südlich der Straße Juchnow – Ustinowka, wohin er über den Abschnitt unserer rechten Nachbardivision gelangt war.

Die 13. Kompanie erhielt Befehl Ustinowka auch nach Westen zu sichern. Die Kämpfe zur Vernichtung dieses Gegners zogen sich über mehrere Tage hin.
Es beteiligten sich daran Truppenteile der 260. Infanteriedivision (Infanterieregiment  460) und der 34. Infanteriedivision. Eines Abends machten Teile unserer Divisionsartillerie zusammen mit den 8,8-cm Flakbatterie des Flugplatzes Juchnow einen konzentrischen Feuerüberfall auf ein in diesem Waldgebiet festgestelltes Waldlager der Russen, der wie später ein Augenzeuge mir berichtete, vernichtende Wirkung gehabt haben muss.

Am 10. Februar bezog ich als Gefechtsstand einen Kartoffelbunker am Ostausgang von Ustinowka, weil das feindlich Artilleriefeuer, vor allem mit dicken Brocken auf den Ort, allmählich reichlich ungemütlich wurde. Eine zur rechten Nachbardivision gehörende und in Ustinowka untergezogene Einheit hatte bereits durch einen 15 cm Volltreffer in ein Haus schwerste Verluste erlitten.

Am nächsten Tag trafen 15 Mann Ersatz ein, die der 11. Kompanie zugeführt wurden. Deren Führung hatte inzwischen ein Leutnant Bieger, im Spätjahr 1942 als Adjutant des II. Bataillons, IR 480 bei einem Überfall des Russen auf den Bataillonsgefechtstand gefallen, für den erkrankten Leutnant Musch übernommen. Der Ersatz brachte einige leichte MG 13 (luftgekühlt) mit, aus denen aber trotz bestem Zureden kein einziger Schuss heraus zu bringen war.

Oberleutnant Gölz und Leutnant Musch

Oberleutnant Gölz und Leutnant Musch

Am gleichen Tag wurde mein rechter Nachbar, das Artilleriebataillon v. Driesen, so benannt nach seinem Führer Hauptmann v. Driesen. Es waren die Reste einer Heeres-Artillerie-Abteilung, die (da sie keine Geschütze mehr hatte) nun zum infanteristischen Einsatz kamen, über den die Artilleristen nicht sehr erbaut waren.

In meinem Bataillonsabschnitt hatte die 7. Batterie, geführt von Oberleutnant Boppel, ihre B-Stelle, an der ich, auf meinem täglichen Gang in die Stellung, stets vorbei kam. Ich nahm dabei jedes

Spanische Reiter in der Ressa-Ugra-Stellung

Spanische Reiter in der Ressa-Ugra-Stellung

Mal Gelegenheit, von dort aus mit dem Scherenfernrohr das Feindgelände sorgfältig unter die Lupe zu nehmen. Von hier aus wurde eines Tages erkannt, das die Russen in Natalyinka die große Scheune anscheinend stark belegt hatten. Ich beschloss daher baldmöglichst diese Scheune von einer mir unterstellten 3,7 cm Kanone unter Feuer nehmen zu lassen.

Mit großer Sorgfalt und Vorsicht erkundete ich mit dem Geschützführer eine geeignete Feuerstellung, die nach Einbruch der Dunkelheit vom Geschütz bezogen wurde. Am nächsten Morgen wurde dann eine größere Zahl von Panzersprenggranaten in die Scheune gejagt. Die Wirkung war etwa die, wie wenn man mit einem Stock in den Ameisenhaufen sticht: Bereits nach den ersten Schüssen quoll der Russe in dichten Scharen aus der Scheune und verschwand nach rückwärts. Und in dieses Gewühl fegten nun die weiteren Pak-Granaten. Seine Verluste dürften nicht unerheblich gewesen sein.

Am 15. Februar stattete der Divisionskommandeur, Oberst Hahm, dem Bataillon einen Besuch ab. Am Abend legte der Russe eine neue Platte auf. Er krebste fast die ganze Nacht mit langsam und niedrig fliegenden Flugzeugen über unserem Raum herum und warf Bomben in die Gegend. Das geschah nun Nacht für Nacht. Am 16. Februar fand mal wieder eine Umgruppierung statt. Ich musste den Abschnitt meines linken Nachbarn, des I. Bataillons (Kompanie Gölz) übernehmen, da diese nun meine rechten Nachbarn wurden, und das Artillerie Bataillon v. Driesen ablösten, das wieder seinen eigentlichen Zweck zugeführt werden sollte.

0054 Ressa-Ugra-Stellung

Ressa-Ugra-Stellung

Im bisherigen Abschnitt Gölz wurde die 13. Kompanie eingesetzt, verstärkt durch ein schweres Maschinengewehr und einen mittleren Granatwerfer. Ihr bisheriger Sicherungsauftrag in Ustinowka nach Süden und Westen war ja infolge Zerschlagung der feindlichen Kräftegruppen im Waldgebiet südostwärts Juchnow hinfällig geworden. Gleichzeitig wurde sie aber für den rein infanteristischen Einsatz insofern erheblich geschwächt, als sie für ein dem Regiment zugeteiltes schweres Infanteriegeschütz den Zugtrupp und die Geschützbedienung abstellen mussten.

Nachrichtengeräte musste die Bataillons-Nachrichten-Staffel zur Verfügung stellen. Das Geschütz, eine sehr wirkungsvolle und daher wertvolle Waffe, bezog Feuerstellung im Bachgrund westlich Ustinowka. Die B-Stelle lag im Abschnitt des I. Bataillons. Da Oberleutnant Miczynski jetzt zwei Herren dienen musste, richtete er seinen Gefechtsstand in unmittelbarer Nähe des Bataillonsgefechtsstands auf dem Friedhof Ustinowka ein.

Infolge der Schwächung der 13. Kompanie für den Einsatz in der Hauptkampflinie, war sie nicht in der Lage sämtliche Kampfstände in ihrem Abschnitt zu besetzten. Das war vor allem nachts eine riskante Sache. Um dieses Manko auszugleichen, lieh mir das Regiment aus seiner Reserve, den Infanterie-Pionier-Zug in Stärke von 25 Mann, da ich selbst über keine Bataillons-Reserve verfügte, für die Nächte eine Gruppe.

Diese rückte bei Einbruch der Dunkelheit in die Stellungen, besetzte einen Kampfstand und kehrte, wenn nach menschlichem Ermessen nach Tageseinbruch mit einem Feindangriff nicht mehr zu

Niemandsland an der Ugra

Niemandsland an der Ugra

rechnen war, zum Regiment zurück. Dieser Vorgang beleuchtet eindeutig die Kräfteverhältnisse unter den das deutsche Ostheer, besonders die Heeresgruppe Mitte, den langen und harten Winter 1941/42 durchstehen musste: Geringe infanteristischen Gefechtsstärken, breite Abschnitte, keine oder nur schwache Reserven, wenig schwere Waffen, die meist in der Hauptkampflinie eingesetzt wurden.

Von der Tiefe einer Verteidigung, also einem Hauptkampffeld, konnte beim besten Willen keine Rede sein. Dieses war wirklich im wahrsten Sinn des Wortes durch Flaggen dargestellt, nämlich durch die Flagge die die Lage der Gefechtsstände anzeigten.
Major Hellmuth Gaudig

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