Ohne stärkeren Widerstand erreichte die 3. / Infanterieregiment 470 am Nachmittag des 31. August 1941 das Ufer des Desna, etwa 20 Kilometer nordwestlich von Tschernihiw. Dort übernahm diese Kompanie die Sicherung für das nachfolgende Bataillon. Nach Eintreffen des Bataillons erhielt die Kompanie den Befehl am jenseitigen Flussufer einen etwa 1 Kilometer tiefen Brückenkopf zu bilden.
Der Übergang über den etwa knietiefen Fluss vollzog sich ohne nennenswerten gegnerischen Widerstand. Rasch hatte man sich auf dem gegenüberliegenden Ufer eingerichtet, der I. Zug unter Leutnant Dr. Raff wurde als Gefechtsvorposten vorgezogen, die Kompanie selbst igelte sich für die Nacht ein. Die sowjetischen Truppen blieben die ganze Nach über ruhig, kassierten allerdings zwischendurch unseren Kompaniemelder, den Gefreiten Weimer, der ihnen jedoch später wieder entwischen konnte.
Der neue Tag brachte uns wieder neue Aufgaben. Um 04:30 Uhr erhielt das Bataillon den Befehl den etwa in 3 Kilometer Entfernung liegenden Ort Wibli zu nehmen. Das Gelände war für den Angriff keineswegs günstig. Auf 1500 Meter war es eben und mit Buschwerk durchzogen, dann stieg es zum Ort hin steil an.
Gegen 16:00 Uhr beobachteten wir russische Bereitstellungen zwei Kilometer vor unserer Hauptkampflinie. Mit Einbruch der Dämmerung ging der Zauber dann auch los. Die Russen arbeiteten sich durch das Buschwerk und die Getreidefelder an unsere Stellung heran, obwohl unsere Kompanie und die uns zugeteilten schweren Maschinengewehre der 4. Kompanie / Infanterieregiment 470 aus allen Rohren feuerten. Kurz nach Anbruch der Nachtgriffen dann die Rotarmisten mit zahlenmäßiger Überlegenheit an und führten nach Mitternacht auch noch einige T34 Panzer ins Gefecht.
Um der Gefahr durch die Panzer niedergewalzt zu werden zu entgehen, wurde unsere 3. Kompanie auf den Dorfrand zurückgenommen. Gute Deckung bot uns dabei eine Kuhherde die sich ausgerechnet unseren Abschnitt als Weideplatz ausgesucht hatte. Den sofort nachstoßenden Sowjets gelang es trotz erbitterten Widerstandes in Wibli einzudringen Im Kampf Mann gegen Mann wurde jedes einzelne Haus verteidigt. Die Kameraden wehrten sich mit Bajonetten und Kolben, ja sogar mit Fußtritten gegen die russischen Angreifer. Tatsächlich blieb der größte Teil des Dorfes in unserer Hand, jedoch waren sämtliche Verbindungen in der stockdunklen Nacht abgerissen.
Nachdem der I. Zug zwischendurch am Ostrand des Dorfes hatte aushelfen müssen – hierbei gab es ein wildes Handgranatenduell mit dem Gegner – wurden wir gegen Morgen von einer Kompanie des II. Bataillons abgelöst und übernahmen wieder unsere Stellungen in der Mitte des Dorfes. Bei Tagesanbruch griffen die Sowjets mit stärkster Artillerieunterstützung immer wieder an; es mögen an diesem 2. September mindestens 15 feindliche Angriffe gewesen sein. Doch unsere Kompanie, ja das ganze Regiment, hielt allen russischen Angriffen stand, obwohl im Laufe des Tages die Munition sehr knapp wurde. Dabei schleuderten unsere MG-Schützen ihre leer geschossenen Gurttrommeln gegen den immer wieder anrennenden Gegner.
Endlich am Abend wendete sich das Blatt: Jagdflieger, Sturzkampfbomber und Sturmgeschütze brachten die ersehnte Entlastung und heizten den russischen Kräften dermaßen ein, das sie sich auf Tschernigow zurückzogen.
Am Abend traf dann unser Divisionskommandeur, Generalleutnant Schmidt, bei uns vorne ein und brachte jedem von uns eine Kleinigkeit wie Schokolade, Zigaretten oder etwas Essbares. Mit den Worten: „Die Armee hatte euch schon aufgegeben, aber ich habe gesagt, meine Schwaben halten die Stellung“ begrüßte er uns.
Am nächsten Tag wurde unser stolze 260. Infanteriedivision im Wehrmachtsbericht genannt. (Anmerkung des Verfassers: Diesen Eintrag konnte ich noch nicht finden)
Kurt Breuning