Das Infanterieregiment 460 war im August 1941 nach dem Übergang über den Dnjepr bei Sbrechin bis an die Bahnstrecke von Schlobin nach vorgestoßen.
Von dort her erwartete man starken Widerstand. Deshalb mussten alle Mittel der Aufklärung eingesetzt werden. Dabei kam der Kommandeur auch auf die Idee, die Telefonleitungen entlang der Bahnlinie anzuzapfen. Und tatsächlich: der Zufall wollte es, dass über den Draht gerade ein keineswegs ruhig geführtes Ferngespräch zwischen der sowjetischen Kommandantur von Gomel und Schlobin lief, das nun ein Dolmetscher mitschreiben konnte. Am Ende dieses erregten Gesprächs stand jedenfalls der „klassische“ Satz des Genossen in Gomel: „Wenn ich nicht sofort achtzig tausend Mann erhalte, ist der Krieg in drei Tagen zu Ende!“
Nach einigen Stunden bat der Kommandant von Schlobin Gomel erneut ans Telefon. Er Ergebnis des Gesprächs meldete unsere Vermittlung, dass ein Personenzug mit Soldaten nach Gomel in Marsch gesetzt würde.
In dem kleinen Dorf in dem wir lagen hatte noch nie ein Zug gehalten. Dieses eine Mal aber wollten wir dafür sorgen, dass der angekündigte Transport einen längeren Aufenthalt gesichert bekam, damit alle Fahrgäste in Ruhe aussteigen konnten.
Während der Dolmetscher noch immer Gespräche abhörte und allerlei von den Zuständen auf der anderen Seite erfuhr, tauchte am Horizont bereits der angekündigte Sonderzug auf. Der Schornstein der Lok qualmte friedliche Rauchwolken in die Gegend, als wenn man ins sicherste Hinterland führe. Wie erstaunt waren dann die militärischen Fahrgäste, als sie etwas unsanft aufgefordert wurden, auszusteigen, um samt und sonders den Marsch in die Gefangenschaft anzutreten. Man sah es ihnen an, dass sie alles andere, nur nicht dies erwartet hatten: Soldaten und Eisenbahner zogen einträchtig davon.
F. Holler