Es war am 17. November 1941. Wochenlang lagen wir schon an der Oka. Etwa 300 Meter davon entfernt wohnten wir in einem Holzhaus. Wir hielten uns in diesem Haus auf und hatten es uns gemütlich gemacht, als es auf dem Dach krachte. Eine Granatwerfergranate war auf dem Dach eingeschlagen. Unser Unteroffizier wurde durch einen Splitter in den Rücken getroffen. Auf Anordnung des Stabsarztes wurde er sofort zum Hauptverbandplatz transportiert. Zwei Freiwillige, darunter auch ich, schafften den Kameraden zurück.
Am Morgen des 18. November 1941 erhielten wir den Divisionsbefehl, die Infanterie in ihrem Kampf bei Kremenki zu unterstützen. Um 06:00 Uhr früh zogen wir mit unseren Fahrrädern los. Es war aber nicht möglich, mit den Rädern zu fahren, da der Boden aufgeweicht und daher rutschig war. Gegen 11:00 Uhr kamen wir in die Stellung der Infanterie, wo uns ein Feldwebel mit den Worten empfing: „Schön das ihr gekommen seid. Aber ich will euch gleich sagen, hier ist die wahre Hölle.“ Mit meiner Gruppe kamen wir in ein Erdloch, genannt Bunker, 3 mal 4 Meter groß, Decken und Wände notdürftig mit Balken abgestützt.
Kaum waren wir in Stellung, rief der Feldwebel: „Die Russen kommen!“ Die Front war 20 bis 30 Meter gegenüber. Neben mir lag ein Kamerad voller Blut. Mit lautem „Urrääh!“ springen zwei Russen in ein Loch hinter uns. Ich lege die Panzerbüchse auf den Wall und bekämpfe die eingedrungen Gegner. Mit meinen 22 Jahren will ich noch nicht sterben.
In diesem Moment sehe ich einen Panzer 20 Meter vor mir aus dem Wald kommen. Er dreht den Turm, schießt und eine Granate explodiert hinter mir an einem Baumstamm. Ein heißer Schmerz durchzuckt mein rechtes Bein. Ein Splitter hat mir ein Stück aus dem Bein herausgerissen. Blut spritzt heraus, aber kein Sanitäter ist in der Nähe.
In dieser hoffnungslosen Lage geschah das Wunder. Unser Obergefreite Josef Keckeisen erschien, verband mir das stark blutende Bein und brachte mich in den Bunker. Hier musste er mich aber verlassen, nachdem er mir noch eine Schachtel Zigaretten und Streichhölzer gegeben hatte. Nun liege ich hier im Bunker, als die Russen wieder angreifen. Eine MG-Salve schlägt in die Rückwand. Dann ist lange Zeit Ruhe, dann wieder Schritte auf dem Bunker, ich höre russische Laute. Sie werfen eine Eierhandgranate in den Bunker, die zum Glück in die andere Ecke fliegt. Ich bedecke meine Augen mit beiden Händen; als die Granate explodiert, werde ich an der rechten Hand zweimal verletzt. Mit einem Verbandspäckchen habe ich mich so gut es ging verbunden.
Ein Feuerstoß aus einem MG 34 vernichtet die Russen auf meinem Bunker. Seitdem habe ich einen lahmen Fuß. Ich betete und rauche weiter. Nachmittag höre ich wieder Schritte auf dem Bunker, deutsche Worte, aber sie kamen nicht wieder.
Als es dunkel wurde, versuchte ich mit letzter Kraft den Bunker zu verlassen. Sehr geschwächt durch die Verwundung und den Blutverlust kletterte ich über tote Deutsche und Russen und erreicht schließlich unsere neue Stellung. Hier kam ich sofort in ärztliche Behandlung, mit einem Lazarettzug nach Smolensk und von dort nach Weida in Thüringen, später nach Rottenburg. Im August 1943 wurde ich als Unteroffizier entlassen, der Krieg war für mich aus.
Meinen Kameraden Keckeisen, genannt Ignatz, habe ich bei einem Schwadronstreffen am Bodensee wieder gesehen. Er lebt noch und wir feiern ein fröhliches Wiedersehen.
Albert Bold, Radfahrerschwadron 260