Dezember 1941: Dennoch stand der Stern am Himmel

Als am 17. Dezember 1941 unser erster Rückzug, 90 Kilometer vor Moskau begann, hatte niemand Zeit an Weihnachtsvorbereitungen zu denken. Der Kampf um das nackte Leben, unser Leben hatte begonnen. Unaufhörlich griffen russische Kräfte an, pausenlos Tag und Nacht rannten sie gegen unsere provisorischen Stellungen. Altuchowo, Radenki, Stechino, Walkowo und Tschausowo sind Namen, die den Kameraden des Grenadierregiments 470, den ehemaligen Angehörigen der 260. Infanteriedivision unvergesslich bleiben.

Während der Rückzugskämpfe kam die Weihnachtszeit immer näher. Ob der Russe uns etwas Zeit zu einer besinnlichen Stunde am heiligen Abend lassen würde? Niemand wusste eine Antwort. Tagsüber hielten wir unsere Stellung und nachts setzten wir uns vom Feind ab. Keine Bleibe, kein Unterstand, keine Gelegenheit zum Aufwärmen bei -50° Celsius.

Zur Erinnerung an die große Kälte in Russland 1941 (-45 Grad)

Zur Erinnerung an die große Kälte in Russland 1941 (-45 Grad)

Unsere Kraftfahrzeuge und schweren Infanteriewaffen hatten wir in den 1 Meter hohen Schnee liegen lassen müssen. Auf Schlitten, im Mannschafts- und Pferdezug, bewegten wir uns von Stellung zu Stellung, die auf der Karte aus einem blauen Bleistiftstrich, entlang der Waldränder, bestanden und die dort gar nicht so schlecht aussahen.

In der Nacht vom 23. zum 24. Dezember bezogen wir unsere Schneestellungen entlang der Waldränder, beiderseits Walkowo. Bereits am Morgen des 24. Dezember drängte der Russe scharf nach, brach an der Trennungslinie zwischen den beiden vorne eingesetzten Bataillonen durch und war nur noch 400 Meter vom Regimentsgefechtsstand entfernt. Das waren bittere Tatsachen am Heiligen Abend. Zum Glück hatten wir noch ein leichtes Infanteriegeschütz, dessen Einsatz die Russen am Heraustreten aus dem Wald hinderte.

Am Tage konnten wir ihn noch aufhalten, wie aber sollte es in der Heiligen Nacht werden. Als die Not am größten war, wurde uns eine gut ausgerüstete SS-Kompanie zugeführt und unterstellt. Bei Einbrechen der Dunkelheit schoss der Russe mit seinem schweren Granatwerfer auf Tschausowo.

Eine Feldküche, die gerade nach vorne wollte erhielt einen Volltreffer. Da lag das warme Weihnachtsessen auf der Straße, dazu die Weihnachtszigaretten und der Tee mit Rum, den der Zahlmeister für die tapferen Grenadiere beschafft hatte.

Durch diesen Volltreffer wurden auch die Fenster in dem kleinen Haus, in dem der Regimentsstab sich einrichten wollte, zerstört. Decken dienten dazu, den kalten Luftzug abzuhalten und die Verdunkelung sicher zu stellen.

Von den wenigen Weihnachtspäckchen die uns rechtzeitig erreichten war auch ein 500-Gramm Päckchen beim Stab angekommen. Ein paar Tannenzweige und Kerzen erhellten den Raum, Die Weinachtplätzchen von lieber Hand gebacken machten die Runde, aus dem Funkapparat erklang das erste Weihnachtlied, während draußen die Granaten rings um unser Haus einschlugen. Normalerweise hätten wir uns jetzt in vorbereitete Schützenlöcher begeben müssen, aber der Boden war zu Tief gefroren und Sprengmittel waren keine vorhanden. So blieben wir in unserem Haus und vertrauten auf den unsichtbaren Beschützer.

Weihnachten

Weihnachten

Grade als etwas Weihnachtsstimmung aufkommen wollte, kam vom linken Bataillon die Funkmeldung: „Bin Eingeschlossen!“ Unser Reservebataillon und die SS- Kompanie rückten sofort in Reihe los, um das eingeschlossene Bataillon wieder heraus zu hauen. Nach 2 Stunden bangen Wartens kam der Funkspruch: „Der Tanz geht los!“

Mittlerweile war auch die Zeit zum Loslösen vom Feind gekommen.

Wie glücklich waren wir, als gegen Mitternacht unsere eingeschlossenen Kameraden ohne Verluste zurückkehrten. Das war die schönste Weihnachtsfreude, die Retter und Gerettete empfanden mit der Gewissheit im Herzen, dass dennoch der Weihnachtstern am Himmel stand. Dank des kameradschaftlichen Einsatzes der Regimentskameraden und der tapferen SS-Kompanie, die in dieser Nacht die Nachhut bildete, konnte die neue Stellung am Weihnachtsmorgen bezogen werden.

Dr. Tim Gebhardt

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