Unsere Division lag am Ende der Abwehrschlacht vor Moskau in der Verteidigungsstellung an Ressa und Ugra beiderseits der Rollbahn nach Roslawl.
Als um diese Zeit im rückwärtigen Gebiet die Störung durch die Partisanen und die Kämpfe mit ihnen immer umfangreicher und hartnäckiger wurden, mussten zu ihrer Niederwerfung aus verschiedenen Einheiten der Division, besonders aus den Stabseinheiten und dem Tross Mannschaften und Dienstgrade abgestellt werden. So kam ich vom Pionierzug 480 zu dieser 250 Mann starken Kampfgruppe, die von Hauptmann Merkel, einem Teilnehmer des I. Weltkrieges, geführt wurde und den Auftrag erhielt, den Ort Ivankovo, über 75 Kilometer hinter der Front zu besetzen und in seinem Umkreis die feindlichen Kräfte zu bekämpfen.
Schon der Hinmarsch im tiefen Schnee bei – 30 bis – 40 Grad Kälte stellte an Mann und Pferd höchste Anforderungen und musste durch tiefe Wälder und unbesetzte Dörfer unter steter Sicherung gegen Überfälle zurückgelegt werden. Erst nach Tagen erreichten wir am Nachmittag des 27. Januar 1942 Ivankovo, aus dem kurz vorher die Russen offenbar nach Westen, nach Petrischewa, abgezogen waren, das durch einen unwegsamen Wald getrennt, von uns 7 Kilometer entfernt lag. Bei der sofortigen Einteilung der Rundumverteidigung kam ich mit meinem Kameraden von der Stabskompanie 480 in den nordwestlichen Abschnitt unseres lang gezogenen Dorfes, wo später der Schwerpunkt des russischen Angriffs lag.
Als wir gegen Abend noch dabei waren Quartier und Ställe einzurichten, hörten wir plötzlich lebhaftes MG- und Gewehrfeuer. Folgendes stellte sich heraus: einige Fahrer der Kampfgruppe waren mit Pferdeschlitten in das 2 bis 3 Kilometer südwestlich liegende Nowaya gefahren, um Futter zu holen und wurden dort überfallen. Unser Abschnittskommandant, Feldwebel Wagner, befahl sofort meiner starken Gruppe abzurücken und den Bedrängten zu helfen. Schon unterwegs kamen uns einige versprengte Kameraden entgegen, leider ohne Pferd und Schlitten. Sie hatten sich nach verzweifelter Gegenwehr von der Übermacht der Partisanen gerade noch absetzen können, um der Gefangenschaft bzw. dem sichern Tod zu entrinnen. Bald darauf hatte wir selbst den Ort Nowaya erreicht, fanden aber nichts mehr vor weder unsere vermissten Kameraden, noch Pferde mit Schlitten, noch Partisanen, sondern nur brennende Häuser. Ein verdammt heimtückischer Krieg, der den härtesten Einsatz abverlangte. Nach dieser üblen Überraschung zurückgekehrt, stellten wir nachts starke Wachen auf. Die übrigen Männer konnten seit langer Zeit erstmals wieder unter einem Dach schlafen.
In den nächsten Tagen setzten wir den Ausbau unserer Verteidigungsstellung mit dem Aufbau eines zwei Meter hohen Schneewalles fort. Jeder richtete seinen Kampfstand mit besonderer Sorgfalt ein. Die Tage vergingen im harten Dienst auf unserem „vorgeschobenen“ Stützpunkt im rückwärtigen Gebiet. Allmählich wurde die Verpflegung knapp. Um überhaupt die Verpflegung aus den Versorgungslagern herbei zu schaffen, musste jeweils ein bewaffneter Geleitzug zusammengestellt werden. Am empfindlichsten fehlte es an Heu für die Pferde. Als Ersatz musste Birkenreiser gefüttert werden, das aber unseren deutschen Pferden schlecht bekam, so dass viele an Entkräftung eingingen. Die Russenpferde ertrugen die Entbehrung leichter.
Als stellvertretender Futtermeister hatte ich öfter in den nahen Wäldern nach Birkenreisefutter Ausschau zu halten, was immer ein Himmelfahrtskommando war. Bei einem derartigen Ausflug mit Maschinenpistole, Beil und Säge bewaffnet, warnte mich plötzlich einer unserer Hiwis kurz vor dem Waldrand mit dem Schrei „Deuschle! Ruski!“ vor dem sicheren Tode; denn kaum hatte ich hinter der nächsten Schneewehe meine Maschinenpistole im Anschlag, brach auch schon ein Feuerzauber los. Die Hiwis wichen zurück. Sofort hatten auch schon unsere Kameraden vom Dorfrand aus den Überfall bemerkt und Alarm gegeben. Unsere Granatwerfergruppe gab mir alsbald Feuerunterstützung. Ihre Einschläge lagen haarscharf am Waldrand. Mit der Verstärkung durch einige zu Hilfe kommenden Kameraden arbeiteten wir uns gegen den Waldrand vor, an dem wir einen russischen Spähtrupp entdeckten, der mich und unsere tüchtigen Hiwis freundlich in Empfang nehmen wollte, was jedoch in letzter Minute vereitelt wurde. Vor unseren letzten Sprung in den Wald türmten die Russen und hinterließen einen Toten, aus dessen Papieren wir ersahen, dass er zu einer regulären Truppe gehörte.
Demnach stimmte unsere Vermutung das die russischen Transportflugzeuge nicht nur Proviant, Waffen, und Munition, sondern auch Soldaten von Osten nach Westen flogen, sicher um uns eines Tages anzugreifen. Mehrmals wurde uns von unserer Front durch Funk durchgegeben: „Feindliche Flugzeuge im Anflug, Leuchtkugeln weiß, grün, rot schießen!“ Angeblich hatten unsere Funker entschlüsselt, dass die russischen Flieger auf dieses Signal ihre Lasten abwarfen. Tatsächlich glückte uns dieser Trick einmal, wobei die Flugzeuge ihre Verpflegungssäcke mit Hirsekatsha und anderen wertvollen Lebensmittel für uns abwarfen. Ja ein andermal wurde bei uns sogar von ihnen eine bewaffnete Besatzung ausgebootet, die wir nach kurzem Kampf von ihrem Fallschirmen weg gefangen nehmen konnten. Diese Angehörigen eines Fallschirmjäger-Regiments hatten sich auf dem Flugplatz bei Kaluga freiwillig zum Einsatz bei ihren Partisanen gemeldet.
Am 23. Februar wurde um 15:15 Uhr vor unserem Abschnitt ein russischer Spähtrupp gesichtet, worauf unser Hauptmann Merkel für die Nacht größte Alarmbereitschaft ansetzte. Jeder Landser nahm seinen zugewiesenen Platz ein und überprüfte sein MG ob an ihm nicht das Waffenöl durch die Kälte fest geworden war. Die kurzfristigen abgelösten Kameraden konnten sich im nahen Quartier die steif gewordenen Hände und Füße aufwärmen. Um 02:30 Uhr versteckte sich der Mond, der bislang einigermaßen Sicht gewährt hatte, hinter einer geschlossenen Wolkendecke. Es blieb uns nur der Blick auf eine trübe Schneelandschaft.
Plötzlich hörten wir russische Kommandos. Damit war für uns die Stunde der Bewährung gekommen; denn die Russen handelten nach dem Moskauer Befehl, ausgesagt von einem russischen Kommissar: „Tötet die Faschisten, wo ihr sie trefft! Schont sie nicht! Ein toter Deutscher ist besser als zwei Gefangene!“
Punkt 03:10 Uhr griff nun der Russe in Stärke von 800 Mann in Schneehemden und größten Teils auf Skiern unsere Stellung an. Hauptmann Merkel blieb in meinem Abschnitt. Das gab jedem von uns ein zuversichtliches Gefühl, zumal er seine Befehle ruhig und bestimmt gab. „Männer“ sagte er „noch nicht schießen, ran kommen lassen!“ Man konnte die Russen in ihren Schneehemden mit ihrem unvorstellbaren Hurrä – Gebrüll gut erkennen.
Jetzt da sie nur noch 50 bis 75 Meter von uns entfernt waren, rief Hauptmann Merkel „Feuer frei!“ Ein Höllenzauber begann. Auch Handgranaten wurden geworfen. Die vordersten Russen kamen dicht vor unseren Schneewall, mussten aber ihre Tapferkeit teuer bezahlen.
Ihre erste Welle brach in unseren zusammengefassten MG – und Granatwerferfeuer zusammen. Schwere Waffen hatten wir ja nicht, aber einen hartnäckigen Kampfgeist. Die russischen Kommissare brüllten wie Wilde und trieben nun gleich ihre zweite Welle in unser gut gezieltes Abwehrfeuer. Allein auch dieser ging es nicht besser. Nachdem die Russen ihren Angriff gegen uns als aussichtslos beurteilten mussten, fluteten ihre Reste zurück zu ihrer ebenfalls schon bereitstehenden dritten Welle, um nun nach links ausholend unseren südlichen Dorfabschnitt anzugreifen, wo ihr Schicksal endgültig besiegelt wurde.
Genau zwei Stunden hatte der wilde Kampf vor unserem Nord und Südabschnitt gedauert. Nun war endlich Ruhe eingetreten. Wir atmeten auf.
Neben vielen Gefangenen – größtenteils verwundet – hinterließ der Feind was wir erst nach der Dämmerung richtig erkannten, zahlreiche Tote und eine Menge Schnellfeuerwaffen. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass sich unsere MG-Schützen ganz hervorragend gehalten hatten.
Bemerkenswert war auch die Aussage eines gefangenen Kommissars, wonach den russischen Soldaten gesagt worden war, die anzugreifenden Orte Ivankovo und Potzsesonki, wo hauptsächlich Angehörige vom Infanterieregiment 460 verteidigen, seien von den Deutschen nur schwach besetzt, und diese ohnedies nach der Winterschlacht schwer angeschlagen, so das so gut wie kein Widerstand zu erwarten sei. Übrigens wurde in jenen Tagen im rückwärtigen Gebiet der ganzen Armee an vielen Punkten angegriffen.
Nach dieser gehörigen Schlappe gaben die russischen Partisanen auf lange Zeit Ruhe. Wir nutzten die Tage des Vorfrühlings zum Anlegen einer Feldstellung auf einer westlichen Wiesenhöhe und zum Ausbau eines Stützpunktes im südwestlichen Nowaya aus.
Den letzten vernichteten Schlag führten wir am Pfingstsonntag 24. Mai 1942, mit der entscheidenden Hilfe unserer 5. Panzerdivision gegen den Ort Petrischewa, welcher der Hauptstützpunkt der russischen Partisanen und ihrer dazugekommenen Truppen war, wo sie sogar einen Landplatz für Flugzeuge hatten und von wo aus sie alle ihre Unternehmen gegen uns starteten.
Nach einem beschwerlichen Anmarsch ab 03:00 Uhr nachts auf Schleichpfaden durch dichten Wald und durch einen bis zur Hüfte durchwateten Bach kamen wir bei strömenden Regen mit Kameraden vom Infanterieregiment 460 in den Bereitstellungsraum am westlichen Waldrand von Pertrischewa. Punkt 07:00 Uhr stießen unsere Panzer von Westen in das Dorf und beschossen es nach allen Richtungen. Darauf entstand bei den Russen ein heilloser Wirrwarr. Wie vermutet worden war, wollten sie nun nach Osten gegen den von uns besetzten nahen Waldrand ausbrechen. Als sie aber von uns mit MG-Feuer aufgehalten wurden, versuchten sie nun weiter südlich auszuweichen. Bei unserem sofortigen Nachstoß unter Feldwebel Wagner entdeckten wir am Dorfrand bestens getarnte, gute Schützengräben, die aber eigenartigerweise die Russen nicht verteidigten. Wir konnte uns mit den Kameraden von der 5. Panzerdivision im Dorf vereinigen, behaupteten es gegen schwache Gegenstöße, machten Gefangene und erbeuteten eine riesige Menge Kriegsmaterial, u. a. auch schwere Granatwerfer von 12 cm. Sogar ein russisches Aufklärungsflugzeug, am Starten gehindert, fiel uns in die Hände.
Das war unser letzter Streich gegen die Partisanen und ihre Helfer, gegen die wir verbissen und tapfer kämpften, aber leider auch nicht ohne den Verlust eigener treuer und braver Kameraden. Anfang Juli konnten wir endgültig von unserer Igelstellung in Ivankovo abrücken, nach vorne zu unserer Einheit in der HKL.
Nach dem Bericht des ehemaligen Infanterie- Pioniers Erwin Deuschle