Anfang März 1940, liegt irgendwo am Oberrhein eine gesprengte Eisenbahnbrücke im Strom.
Zweimal haben die Franzosen versucht die Brücke so zu sprengen, dass keine Verbindung mehr mit dem deutschen Ufer bestand. Aber es ist ihnen nicht ganz geglückt.
Von den vier Betonpfeilern die die Brücke tragen ist der Dritte (vom deutschen Ufer aus gesehen) zusammengesackt. Die schweren eisernen Träger zu beiden Seiten des nieder gebrochenen Pfeilers stürzten jedoch nicht herab sondern liegen mitten im reißenden Fluss. Allerdings erscheint es schon als ein tolles Wagnis, über die im Wasser liegenden Eisenträger einen Übergang zu versuchen.
Die Franzosen waren jedenfalls der Meinung, dass sie vor uns völlig sicher seien. Denn sonst hätten sie wohl kaum vor drei Tagen eine weithin sichtbare Trikolore mit der Aufschrift „Vive la France“ auf dem französischen Brückenpfeiler auf ihrem Ufer gehisst.
Der Zufall wollte es, dass sich an dem Tag als die Trikolore drüben aufgezogen wurde, der Divisionskommandeur an dieser Stelle befand und der General meine so nebenbei, man müsste es eigentlich den Franzosen mal zeigen, dass sie gar keinen Grund hätten sich so aufzublasen.
Das Wort des Generals galt! Ein Fahnenjunker aus Graz in der Steiermark, ein Österreicher also, der als Feldwebel erst vor wenigen Tagen zum Zugführerdienst in diesen Abschnitt kommandiert worden war, fasste den Plan, die gesprengte Brücke näher zu erkunden. Zu ihm gesellte sich der Bunkerkommandant des an der Brücke liegenden Kampfwerkes, ein 30-jähriger Unteroffizier aus dem Schwäbischen, der erst tags zuvor zum Unteroffizier befördert worden war. Und als es ernst werden sollte, da stieß ein weiterer Feldwebel, der gerade von seiner Beobachtungsstelle kam und ebenfalls aus Schwaben stammte als dritten im Bunde hinzu.
Es war eine neblige Nacht. Das Rheintal war mit dicken Dunstschleiern gefüllt. Ringsrum war kein Laut zu hören, nur das Rauschen des Rheins. 22:45 Uhr war es als die Drei zu ihrem gefährlichen Unternehmen aufbrachen, zumal die Brücke von beiden Seiten aus nachts oft genug abgeleuchtet wird und es außerdem an dieser Stelle mehr als einmal heftigen Schusswechsel gegeben hat.
Und nun klettern die drei an dem Brückenpfeiler auf deutschem Boden empor, kriechen auf die eisernen Träger und rutschen vorsichtig und lautlos – sie tragen Turnschuhe oder nur Socken – bis zur Stelle wo die Eisenträger sich nun steil zu dem gesprengten, zusammengesackten Brückenpfeiler herabsenken.
Jetzt heißt es mit dem Kopf zuerst die steile Strecke herabzubalancieren – der österreichische Fahnenjunker voraus, die beiden anderen zwei bis drei Meter hinterher um gegebenenfalls mit Pistole und Handgranaten den Feuerschutz zu übernehmen.
Wo die Eisenträger das Wasser erreichten – die drei waren auf dem oberen Teil herabgeklettert – entdeckten sie plötzlich, dass von einem zum anderen Träger eine Entfernung von mehreren Metern klafft. Darunter, etwa drei Meter tief, die reißenden Fluten des Rheins. Dem Fahnenjunker gelingt es hinüber zu springen und es glückt auch den beiden anderen. Nun geht es wieder aufwärts an Eisenstangen, Meter um Meter kriechend vorwärts, immer wieder lauernd ob die französischen Posten sie nicht entdecken. Nein, es bleibt alles ruhig, drüben regt sich nichts oder doch? Was ist das für ein Geräusch, das zwischen dem rauschenden Wasser ertönt? Nein, es ist nichts – weiter!
Schon ist man nur noch 25 Meter von dem Brückenpfeiler auf französischem Boden entfernt, da tritt etwas ein, womit die drei nicht gerechnet haben: der Mond dringt mit heller werdendem Licht durch die ziehenden Nebelschleier und taucht nach und nach alles in eine fahle Dämmerung. Was tun? Wieder zurück, jetzt, wo man dem Ziel schon so nahe ist? Nein, kommt nicht in Frage! Weiter, nur noch 20 Meter, 15 Meter, jetzt ist man schon auf der Brücke über dem französischen Ufer und – endlich sind die drei auf dem französischen Brückenpfeiler. Verdammt, der Mond scheint gerade jetzt am hellsten! Während der Eine mit dem Fernglas die Umgebung absucht – sie wissen ganz genau, dass sich links und rechts etwa 30 Meter vom Brückenkopf entfernt sich je ein französisches Kampfwerk mit einer Panzerkuppel befindet.
Während die beiden anderen mit Pistole und Handgranaten in den Fäusten auf einen Angriff warten, fasst der Fahnenjunker die Trikolore, die schlaff in der windlosen Nacht hängt. Aber sie will nicht herunter von der Fahnenstange, die Franzosen haben sie mit fingerdicken Seilen angebunden. Messer heraus und die Fahnenstange abgeschnitten! Dabei knackt es weithin hörbar! Im selben Augenblick liegen die drei flach auf der Plattform des Brückenpfeilers, denn nun muss der französische Posten doch etwas gehört haben. Sekunden voll höchster Nervenanspannung vergehen, doch nichts rührt sich.
Die Drei machen sich auf den Rückweg, der Fahnenjunker mit der eingerollten Trikolore unter dem Arm wieder voraus. Wo die Eisenträger auseinanderklaffen ist der Absprung von der französischen Seite noch ungünstiger. Noch einmal droht die unheimliche Stromtiefe den dreien, und einer wäre um ein Haar rücklings in den Rhein gestürzt, hätten nicht die beiden anderen den Kameraden im letzten Augenblick gepackt. Das deutsche Ufer winkt: nun geht es schneller und ohne die lauernde Vorsicht wie am Anfang zurück. Jetzt sind die Drei bei den deutschen Posten, die sie strahlend beglückwünschen und ebenso die Kameraden in den Bunkern die während des Unternehmens lauernd am Maschinengewehr standen um den Feuerschutz zu übernehmen, wenn die Franzosen die drei tapferen Soldaten entdecken sollten. Aber der Gegner hat erst am nächsten Morgen etwas gemerkt, als er sich seinen Brückenpfeiler anschaute: „Die Trikolore weht nicht mehr!“
Am nächsten Morgen werden die Drei zum Divisionskommandeur, General Schmidt befohlen. Er überreichte ihnen für diese schneidige Tat das eiserne Kreuz II. Klasse und sprach den Dreien mit herzlichen Worten seine Anerkennung aus und beglückwünschte sie im Kreise ihrer Kameraden.
„So, jetzt kann ich wenigstens in Urlaub fahren!“ (der General hatte den Dreien auch einen Sonderurlaub gewährt), meinte der österreichische Fahnenjunker! „Sie müssen nämlich wissen, dass fast alle meine Kameraden von der Fahnenjunkerschule am Polenfeldzug teilgenommen haben, nur ich nicht – und da wollte ich mich nicht eher zu Hause sehen lassen, bis ich das auch erreicht hatte und jetzt ist es soweit!“
Das Erkundungsergebnis finden Sie hier!
Selbst Zeitungen berichteten über dieses Unternehmen!