Oktober 1941: Tagebuchnotizen des Fahnenjunkers Volz

Oktober 1941: Auszugsweise Abschriften der Tagebuchnotizen des Fahnenjunkers Heinz Volz, 3./LW Flak Abt 704 über seinen Einsatz beim II. Bataillon / Infanterieregiment 460 im Brückenkopf Kremenki vom 19.10.- 07.12.1941

19.10.1941: Es regnet noch immer. Wir sitzen im Zelt bei Juchnow, langweilen uns bei oberflächlichen Gesprächen und flachsen uns gegenseitig an.

Im Biwak

Im Biwak

Ich schreibe Briefe. Und dann beginnen wieder einige Kameraden zu backen, braten und kochen. Das ist die Lieblingsbeschäftigung solange es noch Kartoffeln für Kartoffelpuffer oder Hühner oder Gänse im Tausch gegen Feuersteine, Tabak und Zigaretten gibt. Bis auf dieses Tauschgeschäft sind die Kontakte zur Bevölkerung denkbar gering. Es wird früh dunkel. Bereits um 17:00 Uhr beginnt für uns die Nacht.

20.10.1941: Es gießt in Strömen! Das Land versinkt im Schlamm. Wie können nur die notwendigsten Wartungsarbeiten erledigen. Ansonsten liegen wir im Zelt und pennen.

21.10.1941: Es regnet weiter. In kurzen Regenpausen erscheinen einzelne russische Flugzeuge und erinnern uns daran das Krieg ist. Hoffentlich machen wir bald Stellungswechsel. Ich erhalte Löhnung; 27 Mark Sold und 21 Mark Urlaubsgeld. Jetzt habe ich 161 Mark bei mir, kann aber nichts damit anfangen. Karte an die Eltern: „Mir geht es trotz des Mistwetters ganz ausgezeichnet. Nur wird die ganze Sache etwas langweilig. Durch das Wetter ist auch jede Flugtätigkeit erloschen. Na hoffentlich hauen wir bald wieder weiter nach vorn ab. Dort ist doch eher mal was los.“

22.01.1941: Weiterhin Mistwetter. In der Batterie werden die tollsten Parolen verbreitet. Ein Kamerad schreibt sie alle in einem Heft auf.

23.10.1941: Es hat aufgeklart. Prompt erscheint eine SB2 die zwar bekämpft wird, aber ohne sichtbaren Erfolg. Gegen Abend erhalten wir endlich mal wieder Post. Auch für mich ist eine Karte dabei – Morgen geht wieder ein „Arbeitsgeschütz“ nach vorne. Ich bin auch mit bei der Mannschaft.

24.10.1941: Früh um 04:00 Uhr ist Wecken. Es geht wieder nach vorn. In Kaluga erhalten wir noch 2 Zugmaschinen. Bei der Durchfahrt durch die Stadt sehen wir 4 erhängte Partisanen. Kein schöner Anblick! Es geht weiter in Richtung Moskau. Der Russe ist zwar sehr rege in der Luft, aber er greift uns nicht an. In Fersikowo übernachten wir.

25.10.1941: Heute ist der Teufel los. Wir sind früh aufgebrochen. Auf den Marsch nach Tarussa an der Oka, fast schon südlich von Moskau, greifen uns russische Tiefflieger in einem Waldstück an. Eine Maschine stürzt gerade auf unser Geschütz zu, schießt nicht und dreht erneut zum Anflug ein. Inzwischen sind wir alle vom Zugfahrzeug herab gestürzt, Obergefreiter Frost hat sich ein MG geschnappt, knallt es auf einen Stumpf eines abgebrochenen Baumes, ich werfe mich darunter und halte die Fußstützen des MGs fest und schon rotzt der Obergefreite dem auf uns zustürzenden Angreifer einen Gurt im Dauerfeuer entgegen. Entweder hat der Russe Ladehemmung oder er ist von unserem Feuerzauber so beeindruckt, das er nicht zum Schuss kommt, dicht über unsere Köpfe hinweg rast und hinter dem Wald verschwindet. Der Pilot fliegt so dicht über uns hinweg, dass wir ihn in der Maschine sehen können. Schließlich erreichen wir Tarussa, das urplötzlich tief unter uns, am Ufer der Oka auftaucht. Über der Stadt wimmelt es von russischen Maschinen, aber weder leichte Flak, noch eigene Jagdflugzeuge sind zu sehen. Das ist zwar zum Kotzen, aber überall können die ja wohl nicht gleichzeitig sein.

Wir fahren unsere Kanone mit unserem Zugfahrzeug in gute Sichtdeckung und ziehen dann in einer Hütte unter, in welchen auch noch die Russenfamilie wohnt. Die Familie hält sich meist auf den großen gemauerten Ofen auf, wo auch die ganze Sippe dicht an dicht schläft. Wir machen es uns auf dem Fußboden bequem.

26.10.1941: Da unser Sprit verbraucht ist, kommen wir nicht weiter und haben unsere 8,8 cm Kanone und den Zugfahrzeug gut getarnt. Zwar sollte der Maffei (Zugfahrzeug) mit Sprit schon heute früh eintreffen, aber erst gegen Abend kommt das Versorgungsfahrzeug mit Sprit und Verpflegung an.

Eine russische Hütte dient als Unterkunft

Eine russische Hütte dient als Unterkunft

Zwischenzeitlich kaufen wir der russischen Familie Im Tausch gegen andere Dinge 3 Hühner ab, die gekocht und dann mit Heißhunger verspeist werden. Unter Anleitung der Familie kochen wir dann Tee, im Samowar und verbessern ihn mit einem kräftigen Schluck Wodka. Dann bitte ich die „Matka“ für mich Wasser heiß zu machen. Die Iwans staunen und kichern, als ich mich hinter einer Zeltplane einer „Ganzkörperwaschung“ unterziehe. Die aus Bukarest mitgebrachte Seife verbreitet einen wohlriechenden Duft, wie er in der Russenkate wohl noch nie vorher zu riechen war. Das warme Wasser tut meinen von Wanzen und Flöhen zerstochenen Körper gut. Draußen herrscht ein Hundewetter, aber ich stehe abends noch eine Stunde Wache.

27.10.1941: Früh um 06:00 Uhr ist Wecken. Wir tanken auf und machen uns marschbereit. Kaum ist die Marschbereitschaft hergestellt, erfolgt ein Tieffliegerangriff, der aber bei uns keinen Schaden anrichtet. Mit erhöhter Vorsicht geht es nach Pekinskaja. Dort erwartet uns Oberleutnant Gersteuer, unser Chef. Wir sollen weiter nach Uglitschi, werden aber vom Kommandeur der 52. Infanteriedivision zu einem anderen Einsatzort befohlen. Wir sollen von dort aus den weiteren Angriff im direkten Beschuss unterstützen. Auf dem Weg dorthin bleibt unsere Kanone in einer sumpfigen Wiese stecken und sackt bis zu den Holmen ein. Beim Versuch sie wieder flott zu machen reißt ein Scherbolzen an der Kette der Zugmaschine. Wir sitzen endgültig fest!

Unser Gerätewart will versuchen in einer Schmiede des nächsten Dorfes einen improvisierten Ersatzbolzen herzustellen. Bis auf einen Doppelposten der an der Kanone zurück blieb, zieht die Besatzung im nächstgelegen Dorf unter.

28.10.1941: Ich stehe seit 01:00 Uhr mit einem Kameraden im Regen bei unserer 8,8 cm Flak als Wache in der sumpfigen Schlucht, von dichtem Wald umgeben. Plötzlich hören wir Pferdegetrappel! Wir gehen in Stellung und entsichern unsere Handwaffen und das MG. Dann tauchen auf dem verschlammten Weg schemenhaft Reiter auf, die auf die Parolenforderung zum Glück mit dem richtigen Kennwort antworten. Es sind Soldaten einer hessischen Infanterieeinheit, von denen sich einer als Oberhesse aus der Gegend von Alsfeld zu erkennen gibt. Im Dunkel der Nacht bei einer Zigarettenpause erzählt er, das sie am gestrigen Tag, bei einem Angriff, (den wir eigentlich hätten unterstützen sollen) ihren Kompaniechef verloren hätten. Er sei etwa 2 Kilometer von hier an den Folgen eines schweren Bauchschusses, vorne bei seiner Kompanie gestorben.

Mich trifft es dann wie ein Schlag, als er weiter erzählt, das sein Chef Leutnant Kimmel auch Oberhesse und aus Alsfeld gewesen sei. Ich bin erschüttert, denn dieser Kompaniechef war an der Alsfelder Oberschule mein Sportlehrer gewesen. Ich glaube dass sich in mein vom Regen nasses Gesicht auch ein paar bittere Tränen gemischt haben. Leutnant Kimmel ist am 27.10.1941 bei Uglitschi, 10 – 12 Kilometer nordostwärts von Tarussa an der Oka gefallen. 5 Stunden lang habe ich bei unaufhörlichem Nieselregen Gelegenheit, traurigen Gedanken und Erinnerungen an eine schöne Schulzeit nachzuhängen.

Dann fährt mir ein Schreck in die Glieder und holt mich in die Gegenwart zurück, als ich erfahre, dass die Wache nach uns vier Russen aus einem Heustapel in nächster Nähe unserer Kanone heraus geholt und gefangen genommen hat. Wie leicht hätten die Vier uns zwei Wachsoldaten in der Dunkelheit der Nacht abmurksen können.

abgeschossenes russisches Flugzeug

abgeschossenes russisches Flugzeug

Wir kriegen trotz reparierten Scherbolzen, die im Schlamm abgesoffene 8,8 cm nicht wieder frei. Erst gegen Mittag holt sie ein Sturmgeschütz dann aus dem Schlammloch. Wir ziehen in Pekinskaja unter, da der geplante Angriff abgeblasen worden ist. Unsere 2cm Batterie hat bei Tarussa eine Tupolev SB 2 abgeschossen.

29.10.1941. Wir haben uns in einem verlassenen Haus am Ortsrand von Pekinskaja eingerichtet. Unser Chef ist auf Erkundung geritten. Die eigene und die russische Artillerie veranstalten einen wilden Feuerzauber, der sich aber wieder frontwärts abspielt.

Die Bahnstrecke TulaSerpuchowMoskau wird von unserer Luftwaffe bombardiert. Diese Bahnlinie ist gestern 15 Kilometer hinter den russischen Linien von 10 deutschen Soldaten gesprengt worden. Alle kamen unversehrt zurück. Die Luftaufklärung hat ergeben, dass ein Zug direkt in die Sprengstelle gefahren ist.

30.10.1941: Das Wetter ist immer noch miserabel. Es regnet fast den ganzen Tag. Die Kameraden schlachten einen Hammel. Abends gibt es Gulasch mit Klößen. Mir scheint das ganze reichlich fett, zumal ich das Essen wegen meiner Wachzeit nur noch lauwarm Essen kann. Mir wird reichlich übel.

Vorn an der Front scheint der Russe anzugreifen. Stundenlanges Infanterie – und Artilleriefeuer zeugt von harten Kämpfen.

31.10.1941: Ich bin krank! Ein geschlagener Mann! Das Fett mit dem Hammelgeschmack würgt mich und ich habe „Dünnschiss“! Furchtbar! Aber eine eintägige Hungerkur wirkt Wunder. Wir bekämpfen einige Iljuschin IL 2, die mit Affenfahrt in Richtung Front weg tauchen.

01.11.1941: Es geht mir wieder besser. Der Chef hat mich erneut mit ein paar Schlucken hochprozentigem Wodka kuriert. Bei dem gestrigen Angriff der Russen haben drei Regimenter in drei Wellen versucht, durchzubrechen. Der Angriff wurde unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Wir haben nach Andrejewskoje verlegt. Der Chef ist mit einem Zugfahrzeug zurückgefahren und holt die Batterie nach.

02.11.1941: Dicht vor uns verläuft die Front entlang der Oka. Die Russen haben sich hinter die Protwa und die Ugra zurückgezogen. Dort ist die Artillerie massiert, die einen Feuerschlag nach dem anderen zu uns herüber jagt. Besonders unangenehm sind die „Stalinorgeln“ und die vielen Tiefflieger.

Alles versinkt im Schlamm...

Alles versinkt im Schlamm…

Wir halten Quartier für die Batterie bereit und fristen so recht und schlecht unser Leben. Das Essen ist knapp und dürftig, der Schlamm dafür knietief. Aber kann uns das erschüttern? Unsere 2 cm Züge bei Pekinskaja haben wieder eine Maschine abgeschossen. Bei Tarussa hat ein anderer Zug bis jetzt drei Abschüsse erzielt. Wir hausen zurzeit in einer total verlausten und verwanzten Bude, aber da ist es wenigstens warm und trocken.

03. 11.1941: Die Batterie ist eingetroffen und in Stellung gegangen. Sie hat sich durch knietiefen Schlamm bis hierher durchgewühlt. Ich fahre mit einer Zugmaschine los und hole Geschütz „Dora“ (Geschützführer: Unteroffizier Fred Kern) aus Pekinskaja ab. Wir schießen noch vor Dunkelheit auf ein paar russische Maschinen, aber die drehen rasch außerhalb unserer Reichweite ab.

04.11.1941: Heute ist einiges los in der Luft. Wir bekämpfen mehrmals Petljakow Pe-2 und haben offensichtlich Erfolg. Zwei Maschinen sollen abgeschossen worden sein. Wir warten nun auf die Bestätigung durch Zeugen und die exakte Feststellung der Absturzstelle. Der 2 cm Zug in Tarussa hat jetzt bereits 6 Abschüsse erzielt. Ein Abschuss gelang nur mit 2 Schuss einer Kanone. Dann hatte sie Ladehemmung.

5. 11.1941: In den letzten Tagen ist es merklich kälter geworden. Der Boden ist über Nacht hart gefroren. Die Temperatur sinkt rapide ab.

Ich habe heute endlich mal wieder Post bekommen. Wir bekämpfen wieder einige Maschinen, müssen dann aber das Feuer einstellen, weil unsere Luftwaffe plötzlich sehr aktiv ist. Ein beruhigendes Gefühl das auch wir noch Flugzeuge zu haben scheinen.

Geschütz

Geschütz „Dora“ auf dem Marsch

Die Batterie bereitet sich auf einen Einsatz im direkten Schießen auf Erdziele, unter Feuerleitung von einer B-Stelle aus, vor. Wir stellen uns auch darauf ein, Sperrfeuer schießen zu können. Die Zusammenarbeit zwischen B – Stelle und KDO – Gerät klappt gut.

06.11.1941: Unsere B – Stelle vorne bei der Infanterie ist nun ständig besetzt. Wir schießen aus auf unsere Sperrfeuer Räume ein. Durch die große Kälte sind die Räder unserer Fahrgestelle eingefroren. Wir müssen um beweglich zu bleiben, jedes Rad einzeln auftauen. Schwierig bei der inzwischen herrschenden Kälte.

07.11.1941: Fahrgestell wieder fahrbereit! Vereinzelt Fliegeralarm, der meist von einem volksdeutschen Luftraumspäher (aus Rumänien) ausgelöst wird. Der Junge muss Augen haben wie ein Adler, denn lange bevor wir das Flugzeug sehen, nennt er schon den Typ. Unsere Munition wird knapp. Wir haben nur noch 55 Schuss.

08.11.1941: Die Kälte hat etwas nachgelassen. Dafür schneit es. Die Straßenverhältnisse verschlechtern sich erneut. Wir hocken im Zelt und warten auf Frost.

09.11.1941. Über Nacht hat es wieder leicht gefroren. Die Wege sind wieder besser geworden. Der Russe setzt in unserem Frontabschnitt neuerdings häufig ein „Schnellfeuergeschütz“ ein, das sich wie die reinste Höllenmaschine anhört. Es deckt mit seiner Ladung eine größere Fläche ab. Man sagt der „Werfer“ könne 26 – 42 Schuss in dichter Folge abfeuern. Das gibt ein Höllengetöse und schreckliches Heulen, bis die Ladung im Gelände detoniert. Wir haben den Werfer „Wilder Max“ getauft. Die Infanteristen aber nennen ihn „Stalinorgel“ was sicher eine treffendere Bezeichnung ist. Angeblich kann der Werfer Spreng-, Brand- und Gasgranaten verschießen.

Gegen Mittag kommt der Unteroffizier vom Dienst und bringt mir den Befehl des Chefs, ich soll mich für einen Flakkampftrupp – Einsatz fertig machen. Ich bin natürlich begeistert, denn der Betrieb in der Stellung wird langsam langweilig. Gegen Abend kommt für uns ein neuer „Maffei“ (Zugfahrzeug) und wir bereiten unsere 8,8 für den Erdkampf vor.

10.11.1941: Wecken: 06:00 Uhr, Herstellen der Marschbereitschaft. Abfahrt 07:00 Uhr Es geht Richtung Nordost, also allgemeine Richtung Moskau. Auf der Rollbahn bleiben wir im grundlosen Schlamm stecken. Erst durch den Einsatz einer weiteren Zugmaschine (Halbkettenfahrzeug) kommen wir frei und fahren bis nach Ostrov. Dann muss ich noch bei stockdunkler Nacht dafür sorgen, das 2 unserer stecken gebliebener Kraftfahrzeuge aus dem Schlamm gezogen werden. Eine Schweinearbeit.

11.11.1941: Am frühen Morgen fahren wir nach vorn, an Troitzkoje vorbei überqueren die Protwa und rollen durch Kremenki hindurch. Am Ortsrand gehen wir etwa 300 m hinter den vordersten Linien mit unserer 8,8 cm Flak in Stellung, tarnen unser Geschütz und beginnen sofort, einen behelfsmäßigen Bunker in die Erde zu buddeln. Vorne ist es zunächst ziemlich ruhig, aber gegen Abend beschießt der Russe das Gelände um uns herum mit Artillerie und Granatwerfern. Die Granaten prasseln nur so in den Stellungsraum. Aber unsere behelfsmäßige Deckung schützt uns vor Splittern und Schäden.

Das Geschütz

Das Geschütz „Dora“ bei Juchnow

12.11.1941: Wir bauen seit dem ersten Dämmerlicht an unseren Bunker weiter. Er wird mit einer doppelten Lage dicken Kieferstämmen abgedeckt und mit einer hohen Erdaufschüttung splittersicher gemacht. Fred Kern meint, dass auch Granatwerfergranaten nicht durchschlagen würden. Bei dieser Arbeit überrascht uns völlig unerwartet ein wilder Feuerüberfall russischer Granatwerfer. Unteroffizier Alfred Kern, Paul Wagner und ich, geraten ausgerechnet in dem Augenblick mitten in die um uns krachenden Einschläge, als wir auf freien Feld aus einem Strohhaufen Stroh für unseren Bunker holen wollen. Mir bleibt fast das Herz stehen und ich bin im Augenblick wie erstarrt und vor Schreck zu keiner Handlung fähig, ist es doch das erste Mal, das ich so ohne Deckung mitten im Feuer liege.

Paul wird durch Splitter am Arm verwundetet und schreit auf, Fred Kern ist in „volle Deckung“ gegangen und ich springe schließlich mit Riesensätzen durch die Einschläge auf unseren Bunker zu und komme wir durch ein Wunder ohne jeden Kratzer dort an, mache aber sofort wieder kehrt, um den verwundeten Kameraden beizustehen. Der ist aber auch schon dicht vor unserem Bunker und auch Fred taucht unverwundet wieder auf. Außer Paul Wagner ist ein weiterer Kamerad durch Splitter an Kopf und Arm verletzt worden, als er an einem nahen Bächlein Wasser holt. Beide werden zum Verbandsplatz gebracht.

13.11.1941: Früh um 05:00 Uhr muss ich mit Oberleutnant Gersteuer zwei 2-cm Geschützbedienungen nach vorne zur Infanterie begleiten. Wir bringen die Geschütze im Mannschaftszug und teilweise in Traglasten zerlegt, um den Gegner nicht auf Unternehmen aufmerksam zu machen. Von dort aus sollen wir einen Angriff unserer Infanteristen mit unserem Feuer auf Erdbunker, MG-Nester und Stellungen unterstützen. Unsere Artillerie leitet gegen 09:00 Uhr den Angriff mit einem massierten Feuerschlag ein. Die Einschläge liegen gefährlich dicht vor uns im Bunkerbereich der Russen. Wir eröffnen das Feuer auf erkannte Erdbunker und ich erlebe meinen ersten Infanterieangriff aus nächster Nähe.

Der Russe hat hervorragend getarnte Erdbefestigungen mit Schießscharten für seine MG im Wald angelegt und verteidigt sich hartnäckig. Die Browna wird genommen, wieder verloren und erneut genommen. Erst gegen Abend gelingt ein Einbruch in die russischen Stellungen. Ich pendle während des Feuergefechts ständig zwischen Geschütz und rückwärtiger Versorgung, um Munitionskästen mit 2 cm Granaten nach vorn zu schleppen. Dabei gerade ich wiederholt in schwere Feuerüberfälle durch russische Granatwerfer und Artillerie. Da im flachen Gelände kaum Deckung vorhanden ist presse ich mich in die schmale Fahrspur, die ein Wagen in der weichen Erde hinterlassen hat und versuche unsinnigerweise meinen Kopf mit den Munitionskästen zu schützen. So etwas macht man nur in verzweifelter Angst. Ich komme aber wieder ohne eine Schramme durch den Hexenkessel. Auch am Abend geraten wir nochmals in heftiges Artilleriefeuer, haben aber zum Glück auch dabei keine Verluste.

Vielleicht hat uns die kleine schwarze Katze an diesem 13.11.1941 Glück gebracht, die sich am frühen Morgen als wir auf dem Weg zu den Vorposten sind, plötzlich aus dem Dunkel der Nacht zu mir gesellt. Sie hat mich den ganzen Tag auf meinem Weg begleitet und sich bei jedem Feuerschlag der Russen, ängstlich Schutz suchend an mich geschmiegt. Ihre Anwesenheit gab mir merkwürdigerweise die Sicherheit und Zuversicht, dass mir nichts geschehen werde. Nach Abklingen des Gefechts am späten Abend ist das kleine Tier so plötzlich verschwunden, wie es morgen erschienen war. Ich erhalte den Auftrag, einen Gefechtsbericht zu schreiben.

14.11.1941: Der Angriff wird weiter geführt. Der Feind hat seine Stellungen geräumt, bereitet aber offensichtlich einen Gegenangriff vor, denn die Luftaufklärung meldet Panzeransammlungen. Unsere Ju87 (Stuka) hauen dazwischen. Danach bleibt es tagsüber ziemlich ruhig. Wir sind wieder in unserer alten Stellung am Nordrand von Kremenki.

 Blick von Trotzkoje über die Protwa

Blick von Trotzkoje über die Protwa

Ich selbst bin ununterbrochen im Brückenkopf unterwegs zur Erkundung und zur Fertigung von Gefechtsberichten am Gefechtsstand in Troitzkoje. Dazu muss ich ständig eine unter Dauerbeschuss liegende Holzbrücke über die Protwa (wahrscheinlich die „Schwabenbrücke“) überqueren. Ich warte immer die Einschläge ab und sprinte dann los. Beim nächsten Einschlag bin ich schon über die Brücke hinweg und in Deckung. Unsere Flakkampftruppe erbeutet 2 MG bei einem russischen Spähtrupp. Nachts greift der Russe wieder an und erobert Browna teilweise zurück. Dann flaut der Kampflärm ab.

15.11.1941: Der Chef geht zur Einsatzbesprechung zum Gefechtsstand des II. Bataillons des Infanterieregiments 460. Da werden plötzlich Panzer gemeldet. 3 Panzer kommen dich vor die eigenen Stellungen, drehen aber wieder ab, bevor wir sie im Schussfeld haben. Wir stellen wieder ein 2 cm Geschütz nach vorne ab. Dann wird wieder eine Ansammlung von 16 Panzern vor unseren Stellungen gemeldet. Noch halten sie sich zurück. Abends greift russische Infanterie erneut an, und gewinnt Browna endgültig zurück. Unsere Infanteristen von den vorausgegangenen Kämpfen stark geschwächt, wehren nachdrängende Feinde aus ihrer alten Stellung ab.

Tagsüber greifen unsere Stukas Bereitstellungen der Russen an. – 2 Messerschmitt ME 109 schießen zwei Iljuschin ab, die ein deutsches Aufklärungsflugzeug vom Typ Henschel HE 126 verfolgen. (Postkarte an die Eltern: „Ich sitze eben in einem phantastischen Erdbunker, in dem man gut geschützt ist. Mir geht es ganz prima. Die Verpflegung ist ausgezeichnet.“)

16.11.1941: Sehr früh schon werden der Chef und ich geweckt. Wir wollen eine neue 8,8 cm in eine erkundete Stellung einweisen. Vom Kommandeur des II. Bataillons / Infanterieregiment 460 ist höchste Alarmbereitschaft befohlen! Vor den eigenen Stellungen sind 30 Panzer erkannt. Dabei soll es sich über schwere und überschwere Typen handeln. Man spricht von 26 – 32 – 45 – und 52 To. schweren Kampfwagen die zum Teil für uns neu sind. Auf unserem Weg geraden wir wieder in Granatwerferüberfälle, kommen aber glatt bis zu unserer Kanone.

Der „Maffei“ fährt an rollt aus der Deckung auf eine freie, leicht ansteigende Fläche hinaus und zieht die 8,8 cm auf die vorbereitete Stellung zu. Da gibt es plötzlich „Panzeralarm“ bei der Infanterie. Der Alarmruf: „Panzer von rechts“ lässt uns stoppen. Und dann sehen wir zum ersten Mal einen T34 aus dem Waldrand hinter unserer Infanterielinien brechen und wild feuernd auf eine am Ortsrand von Kremenki stehende Pak 3,7 cm zu rollen. Wir stehen in diesem Augenblick parallel zur Fahrtrichtung des Panzers, seitlich etwa 150 m versetzt.

Reaktionsschnell ist das Kommando von Oberleutnant Gersteuer: „Bekämpfung vom Fahrgestell, zum in Stellung gehen ist keine Zeit“ ausgeführt, sind die Seitenholme herunter geklappt, ist das Rohr eingekuppelt und geschwenkt, vom Obergefreiten Schneider auf dem Kanonier 2 – Sitz, der Panzer angerichtet, die erste Panzergranate vom Kanonier 3 geladen und der Schuss abgefeuert. Aber er liegt durch die Schwankung des Geschützes auf dem Fahrgestell zu kurz, links im Dreck. Doch der zweite Schuss sitzt!

abgeschossener T34

abgeschossener T34

Krachend dreht es den Panzer um 180° Grad und Rauch quillt aus allen Ritzen. Ein dritter Schuss vollendet das Schicksal des 32-Tonners! Er brennt! Ein in Flammen gehüllter ausbootender Panzersoldat, wird von Infanteristen erschossen. Doch zum Überlegen bleibt keine Zeit! Am Waldrand taucht schon ein neuer Panzer auf! 2 Schuss – 2 Treffer und der Panzer explodiert. Unsere Kanone wird sofort in der neuen Stellung feuerbereit gemacht.

Dann fordert mich der Chef auf unser erstes Opfer aus der Nähe zu betrachten. Mir gemischten Gefühlen (zumindest bei mir) nähern wir uns dem brennenden Ungetüm bis auf etwa 10 m und bestaunen denn uns bis dahin unbekannten T 34. Mir wird dabei doch recht unbehaglich und der Chef muss dies wohl bemerkt haben, denn er fragt mich: „Na, haben Sie Angst vor dem Panzer?“ und ich antworte freimütig: „Ja Herr Oberleutnant, denn der hat ja wohl noch seinen Sprit und seine Munition an Bord – und die könnte uns um die Ohren fliegen!“

Er gibt mir recht und wendet sich der 100 m entfernten Pak 3,7 cm zu, die der Panzer angegriffen hatte. Kaum sind wir dort angekommen, gibt es hinter uns eine fürchterliche Detonation – und der Turm des Panzers wird durch die Luft gewirbelt. Er klatscht mit seiner 7,5 cm Kanone genau auf die Stelle, auf der wir wenige Augenblicke vorher noch gestanden hatten. Der Chef grinst mich an und meint: „Na Volz da haben wir ja noch einmal Glück gehabt!“ Immerhin, der Pak-Bedienung ist ja nichts passiert, auch wenn ihre 3,7 cm Geschosse wirkungslos am Panzer abgeprallt waren. Zum Glück ist auf die 8,8 cm Flak Verlass!

Danach schickt mich der Chef mir einer Meldung zu unserem Erdbunker nördlich von Kremenki. Als ich durch Granatwerfer- und Artillerieeinschläge immer wieder in Deckung gezwungen, zurückkehre liegen 2 weiter Panzer als Opfer unserer 8,8 cm am Waldrand und brennen aus. Unsere Stukas greifen inzwischen immer wieder Bereitstellungen der Russen an, aber trotzdem rollen gegen Abend nochmals russische Panzer gegen die Stellungen unserer Infanterie an. Dabei werden von 5 Angreifern 4 abgeschossen, einer davon von unserem Flakkampftrupp. Er liegt unmittelbar vor den deutschen Stellungen und brennt noch spät in der Nacht.

Die Flak-Abteilung 704 konnte also an diesem Tag, allein durch unsere Flakkampftruppe 5 Panzerabschüsse verbuchen. Außerdem haben 1. und 3. Batterie je ein Flugzeug abgeschossen. Am Abend muss ich noch eine Zugmaschine in Kremenki abholen und zum Bataillonsgefechtsstand des II. / IR 460 bringen. Ich komme ohne Artilleriebeschuss gut durch. Als ich spät in der Nacht wieder bei meiner Bedienung bin, finde ich eine Menge Post vor. Tagebuchkommentare so könnten alle Tage sein!

17.11.1941: Wie sichern weiter gegen Panzer. Mehrfach wechseln wir unter starkem Artilleriefeuer unsere Stellungen dorthin, wo die Panzerdrohung am größten zu sein scheint. Aber kein Panzer lässt sich blicken.

Dann kommt der Auftrag einen unmittelbar vor unseren Linien, an einer Waldlichtung stehenden 45 –To Panzer (KWII) zu knacken. Der hat sich dort wohl festgefahren und bekämpft mit seinen Turmwaffen jede Bewegung unserer Infanterie. Stoßtrupps mit dem Ziel, ihn mit Nahkampfmitteln zu vernichten, scheitern ebenso wie der Versuch ihn einer 5 cm Pak auszuschalten.

Ich erhalte den Auftrag für das riskante Unternehmen einen geeigneten Anmarschweg und eine günstige Feuerstellung unmittelbar in den vordersten Infanterielinien zu erkunden. Dabei wird mir erst deutlich, welch windiger Auftrag uns da tatsächlich erwartet. Wir müssen dazu die Dämmerung ausnutzen, sonst wird unser Scheunentor großes Geschütz schon beim Einfahren auf den erkundeten Stellungsplatz von dem Panzer erkannt und abgeschossen.

Wir fahren spät am Nachmittag los, bleiben aber kurz vor der Stellung am Waldrand mit einem Seitenholm an einem Baum hängen, den wir erst fällen müssen. Zum Glück wird unser Lärm durch eigenes Artilleriefeuer, das unser Unternehmen unterstützen soll überdeckt. Der Russe hat offenbar noch nichts gemerkt. Durch die Zeitverzögerung wird es jedoch zu dunkel, so dass wir den Panzer nicht mehr exakt anrichten können und wir verschieben nach 2 Schuss ohne Trefferwirkung das Unternehmen auf den nächsten Tag. Leise schleichen wir uns aus dem Bereich der Infanteriesicherung wieder nach hinten.

18.11.1941: Auch heute kann das Unternehmen „KWII“ nicht durchgeführt werden, da Panzeralarm gegeben wird und wir zur Abwehr bereit stehen müssen. Aber wieder greift der Russe nicht an. Dafür erhalte ich mit OG Frony den Auftrag, bei 2 unmittelbar vor unserer Linie von uns abgeschossenen Panzern Typ und Wirkung unserer Treffer festzustellen.

Auf unserem Weg nach vorne geraten wir in einen massiven Granatwerferüberfall. Die in der nähe stehende 8,8 bekommt einen Volltreffer auf den Luftvorholer. 5 Mann der Bedienung werden schwer verletzt, 2 Soldaten sterben unmittelbar danach an ihren schweren Verwundungen. Wir leisten erste Hilfe und ich muss den unter Schock stehenden Geschützführer aus seinem Bunker holen, damit er seinen Soldaten beisteht. Ich schicke OG Frony zurück um Hilfe zu holen und gehe zur Erfüllung meines Auftrags weiter nach vorn.

Als ich auf dem Feldweg in Richtung Browna fast unsere vorderen Linien am Waldrand erreicht habe, erkenne ich einen Infanteristen der mir aufgeregt Zeichen gibt, volle Deckung zu nehmen. Ich werfe mich in eine flache Mulde und robbe, an den Boden gepresst in einem Deckungsgraben in der Stellung der Infanterie.

Dort fragt mich der Infanterist ob ich lebensmüde sei, und hebt den Zipfel seiner Zeltplane an. Erschrocken blicke ich auf das Gesicht eines toten deutschen Soldaten. Er hat ein kleines Loch in der Stirn mitten zwischen den Augen. „Drüben warten Scharfschützen nur auf solche Leichtsinnsknaben wie dich“ meint der Landser und fügt hinzu: „Du musst wohl einen besonderen Schutzengel bei dir gehabt haben“. Das geht mir doch unter die Haut und mein Herz schlägt ein paar Takte schneller.

Vorsichtig beobachte ich dann aus der Deckung heraus das Vorfeld und sehe die beiden Panzer, die etwa 20 m vor den eigenen Linien liegen. Die Einschusslöcher unserer 8,8 sind mit dem Fernglas deutlich zu sehen. Es handelt sich um zwei Panzer mit von je 26 To, die als Vorläufer der T34 gelten. Beide Panzer sind ausgebrannt. Näher wage ich mich wegen der Scharfschützen an die Panzer dann doch nicht heran, da mein Auftrag ja erfüllt ist. Vorsichtig robbe ich wieder aus dem Graben und dem Einsichtsbereich der Scharfschützen heraus und melde mich beim Chef zurück.

Nachstehend die im Text erwähnten Gefechtsberichte Nr. 1 u. 2, die der Verfasser der Tagebuchnotizen als „kleine Zeitdokumente“ für den auch in unmittelbaren Frontbereich blühenden „Papierkrieg“ aufführen möchte:

Flakkampftrupp I/704 18.11.1941

Gefechtsbericht Nr.1

Am 10.11.1941 wurde der Flakkampftrupp, bestehend aus einer 8,8 cm Flak der 3./704 und des III. Zuges der 5./704. zur Unterstützung der Verteidigung im Brückenkopf KREMENKI und für den Angriff der 260. Infanteriedivision aus dem Brückenkopf dem Infanterieregiment 460 unterstellt.

Am 12.11.1941 fiel eine 2 cm Flak durch Artillerie Beschuss aus.

Die 8,8 cm Flak war durch Ausfall des Zugfahrzeugs und durch den Verlust von drei Verwundeten nur in ihrer festen Stellung 2 km nördlich Kremenki feuerbereit. Es standen daher für den Angriff am 13.11.1941 zwei 2 cm Geschütze zur Verfügung, die wegen Ausfall der Zugmittel, durch starken Frost, im Mannschaftszug in schwierigsten Waldgelände über eine Strecke von 4 km in ihre Ausgangsstellung gebracht wurden

Die Geschütze waren am 13.11.1941 vor Angriffsbeginn bei den Gefechtsvorposten der 5. Kompanie / Infanterieregiment 460 feuerbereit. Die Kampfgruppe hatte den Auftrag den Angriff der Kompanie auf die Höhe nordwestlich der Browna zu unterstützen. Es waren die auf etwa 300 – 400 Meter gegenüberliegenden russischen Stellungen so sturmreif zu schießen, dass sie von der Infanteriekompanie genommen werden konnten.

Die Ziele waren in Verbindung mit dem Chef 5. / IR 460 am Vortag aufgeklärt und festgelegt worden. In der russischen Stellung waren etwa 25 – 30 Bunker und ein ausgebautes Grabensystem erkannt.

Das Feuer wurde auf Leuchtzeichen eröffnet, nachdem sich die Züge der Kompanien von 2 Seiten gedeckt, an die Stellungen heran gearbeitet hatten. Im Verlaufe des Gefechts war ein Stellungswechsel im Mannschaftszug erforderlich, um auch die weiter nördlich im Brownatal gelegenen Bunker wirksam unter Feuer nehmen zu können.

Trotz hartnäckiger Verteidigung des Feindes und dauerndes Artillerie-, Granatwerfer- und Infanteriefeuer wurde das Angriffsziel gegen 16:30 Uhr erreicht. Von der Kampfgruppe wurden 25 Bunker vernichtet, bzw. sturmreif geschossen, dass sie von der 5. Kompanie genommen werden konnten. Die Bunker waren starke Feldbefestigungen mit 2 Scharten und etwa 6 – 10 Mann Besatzung.

Bei dem Gefecht wurden im zusammenwirken mit der Infanterie 52 Gefangene gemacht, etwa 100 feindliche Schützen vernichtet und 12 MG erbeutet.

Es wurden 400 Schuss 2 cm Sprenggranaten und 320 Schuss 2 cm panzerbrechende Granaten verschossen

Eigene Verluste keine.

gez.: Gersteuer

Oberleutnant und Flakkampftruppführer

Flakkampftrupp I/704 OU. den 18.11.1941

Gefechtsbericht Nr. 2

Am Nachmittag des 15.01.1941 wurden vor dem gesamten Abschnitt des Infanterieregimentes 460 Ansammlungen feindlicher Panzerkampfwagen gemeldet, die aus nördlicher und nordostwärtiger Richtung herangeführt worden waren.

Dem Flakkampftrupp wurde am Abend des 15.11.1941 eine weiter 8,8 cm Flak der 2./704 unterstellt. Dieses Geschütz hatte den Auftrag, in Verbindung mit zwei 2cm Geschützen feindliche Panzerangriffe aus Ost und nordostwärtiger Richtung zu verhindern.

Zur Abwehr feindlicher Panzerangriffe aus nördlicher Richtung war eine 8,8 cm Flak mit einem 2 cm Geschütz 2 Kilometer nördlich Kremenki eingesetzt.

Am Abend des 15.11. wurde etwa 1 km ostwärts Kremenki eine Stellung erkundetet, aus der die Abschnitte des I. und III. Bataillons des IR 460 beherrscht werden konnten.

Besatzung einer 2cm Flak beobachtet den Luftraum

Besatzung einer 2cm Flak beobachtet den Luftraum

Am 16.11. gegen 06:30 Uhr brach der erste russische Panzer durch die Infanterie- und Pak- Stellung des I. Bataillons des IR 460 durch und griffen eine am ostwärtigen Ortsausgang von Kremenki stehende Pak an.

Die Geschosse der Pak erzielten keine Wirkung so dass der feindliche Panzer, bei dem es sich um einen 32 to Panzer neuester Bauart handelte, bis auf 80 Meter herankam.

Die 8.8 Flak waren gerade dabei, in Stellung zu fahren, als der Feindpanzer auf eine Entfernung von 150 Meter an ihr vorbei fuhr. Es gelingt unter schwierigsten Verhältnissen noch am halben Hang stehend und vom Fahrgestell aus, den Panzer mit dem zweiten Schuss in Brand zu schießen.

Um 07:30, Uhr, um 09:30 Uhr und um 09:45 Uhr wurden drei weitere, im Abschnitt des I. und III. Bataillons des IR 460 durchgebrochene Feindpanzer (ein 32 to, zwei 26 to) auf Entfernung von 400 bis 800 m vernichtet.

Gegen 16:00 Uhr griff der Feind erneut vor dem II. Bataillon / IR 460 mit Panzerunterstützung an. Die nördlich Kremenki eingesetzte 8,8 cm Flak vernichtete dabei einen durchgebrochenen 26 Tonnen schweren Panzer mit 4 Schuss auf 800 m Entfernung.

Der Flakkampftrupp hat damit das Eindringen der durch die Infanterie- und Pak-Stellung durchgebrochenen Panzerkampfwagen in den Brückenkopf Kremenki verhindert.

Munitionsverbrauch 20 x Panzergranate 8,8 cm

gez. Gersteuer

Oberleutnant u. FlakKpftrFhr.

19.11.1941: Wieder ist Panzeralarm! – Ich bin den ganzen Tag als Melder, Kurier, Einweiser und mit verschiedenen Aufträgen des Chefs im Brückenkopf Kremenki unterwegs. Die Aufträge, meist im Laufschritt erledigt, lassen mir den ganzen Tag keine Zeit zum Essen.

Gefechtsstand in Wyssokinitschi

Gefechtsstand in Wyssokinitschi

Dabei habe ich unglaubliches Glück, nicht von der Artillerie oder den Granatwerfern erwischt zu werden. Auch die Einschläge einer „Ratsch Bumm“ einer 7,6 cm Kanone zwingen mich zeitweilig dazu, Haken wie ein Hase zu schlagen. Mehrfach liege ich mitten zwischen den Einschlägen, das mir fast die Luft wegbleibt und ich kann nur beten „Herrgott! Hilf!“ Als ich gegen Nachmittag hungrig und völlig erschöpft unsere Stellung erreiche, gibt mir der Chef den Befehl sofort zur Abteilung nach Wyssokinitschi zu fahren und eine Meldung mit hohen Geheimhaltungsgrad abzugeben. Den Abteilungsgefechtsstand müsse ich in Wyssokinitschi suchen. Er liegt irgendwo in diesem kleinen Nest an der Straße nach Malojaroslawez. Ein Kübelwagen mit Fahrer steht am Ortsrand von Kremenki für mich bereit.

Ich stecke mir einen kanten Brot ein und mache mich bei anbrechender Abenddämmerung auf den Weg. Den Kübel habe ich gleich gefunden, aber dessen Motor springt nicht an. Der Fahrer flucht wie ein Holzknecht und fummelt am Motor herum, doch alle Startversuche sind vergebens. In dieser Lage setzt auch noch schweres Artilleriefeuer eines 28 cm Eisenbahngeschütz aus dem Raume Serpuchow auf Kremenki ein und im Ort bricht ein kleines Chaos aus. Da sehe ich einen Kradmelder mit einer BMW mit Seitenwagen, der vor einen „heran jaulenden Koffer“ hinter einem Haus Deckung sucht. Er will zu seiner Einheit, die an meinem Weg zur Abteilung in Stellung liegt und lässt mich in den Seitenwagen springen.

In der kurzen Pause zwischen 2 Einschlägen sausen wir los. Es ist bitter kalt und ich habe keine Winterklamotten. In der Eile habe ich nicht mal einen Mantel angezogen. Aber meine Erregung ist so groß, das ich ans Frieren nicht denke.

II. Bataillon / Infanterieregiment 460 – Bataillonsgefechtsstand den 18.11.1941

Bericht über den Einsatz der 2 cm Flak beim Angriff der 5./IR.460 am 13.11.1941.

Kradmelder mit Beiwagen

Kradmelder mit Beiwagen

Für den am 13.11.41 befohlenen Angriff der 260. Infanteriedivision gegen den Browna-Abschnitt, hatte auch die 5. / IR 460 Befehl, aus dem Brückenkopf Kremenki heraus, mit verstärkten Stoßtrupps von Süden her feindliche Stellungen zu durchbrechen und nach Wegnahme der feindlichen Stellungen die Browna, mit Front nach Osten, im Abschnitt Browna – Kremenki zu überschreiten.

Durch Spähtrupps der 5./IR 460 wurde am 11. und 12.11. festgestellt, das der Feind sich auf den Höhen südlich der Browna mit starken Kräften  zur Verteidigung eingerichtet hatte. Es wurde eine Anzahl gut ausgebauter Feldbefestigungen, Schartenstände und Holzbunker erkannt.

Oberleutnant Gersteuer der mit seiner Flakkampftruppe im Brückenkopf eingesetzt war, erkundete zusammen mit dem II. / IR 460 die Einsatzmöglichkeit seiner Kampfgruppe für diesen Angriff.

Nach eingehender Erkundung in Zusammenarbeit mit den Spähtrupps der 5. / IR 460 ergab sich, dass die 8,8 cm Flak wegen des unübersichtlichen Geländes und mangelnder Schussmöglichkeit, nicht zum Einsatz gebracht werden konnte.

Im Angriff genommener feindlicher Graben

Im Angriff genommener feindlicher Graben

Oberleutnant Gersteuer entschloss sich, trotz schwieriger Einsatzmöglichkeiten, den Angriff mit 2 von den ihm unterstellten 2 cm Flak zu begleiten und zur Niederkämpfung der erkundeten feindlichen Bunker und Feldstellung einzusetzen.

Durch persönlichen Einsatz des Oberleutnants Gersteuer konnte ein wirkungsvoller Einsatz der Geschütze ermöglicht und der Einbruch in die feindliche Stellung erzwungen werden.

Die Geschütze, teilweise auf kürzeste Entfernung gegen russische MG-Stellungen und Schartenstände mit bester Wirkung eingesetzt, ermöglichten dem Stoßtrupp der 5. / IR 460 den Einbruch in die gegnerischen Stellungen, wodurch es gelang, durch Aufrollen über 30 gut ausgebaute MG-Stellungen, Schartenstände und Bunker in Besitz zu nehmen, dem Feind blutige Verluste zuzufügen, 52 Gefangene zu machen und eine große Zahl MG und automatische Waffen zu erbeuten.

Der rasche und gute Erfolg des Tages und vor allem die geringe Zahl eigener Verluste ist mit auf den entschlossenen und mutigen Einsatz der Flakkampfgruppe, besonders aber auf den Entschluss und Verantwortungsfreudigkeit des Führers der Kampfgruppe, Oberleutnant Gersteuer zurückzuführen.

gez. Müller

Major u. Btl. Kdr.

Mit größter Vorsicht fahren wir durch die inzwischen hereingebrochene Dunkelheit, da wir nur mit Tarnlicht fahren können und die Straße immer wieder von Granattrichtern aufgerissen ist. Irgendwo muss der Kradmelder in eine andere Richtung, doch ein zufällig vorbeikommender Leutnant nimmt mich auf seinem Krad mit.

Plötzlich heult es als ob 1000 Teufel ein Konzert geben wollten und infernalisch krachen die Geschosse einer „Stalinorgel“ dicht neben unserer Straße nieder. Wir machen uns ganz klein und mit Vollgas prescht der Leutnant, flach auf dem Tank liegend, an dem Feuerhagel vorbei. Mir wird nicht nur vor Hunger, ganz flau im Magen. Mitten in einem Waldgebiet muss auch der Leutnant von der Hauptstraße in einen Nebenweg abbiegen und ich stehe alleine in der stockdunklen Nacht im Gelände.

Zum Glück kommt kurz darauf ein Pferdefuhrwerk vorbei, auf dem ein Soldat Mehlsäcke transportiert. Ich mache es mir auf der weichen Ladung bequem, friere aber mächtig denn es hat inzwischen begonnen zu schneien. Dann erreichen wir ein Dorf, in dem gerade aus einer dampfenden Feldküche Verpflegung ausgegeben wird. Die Landser stehen in Reihe davor. Da jault es wieder fürchterlich heran und rundum schlagen Brandgranaten der „Stalinorgel“ ins Dorf. Mein Kutscher lässt sich einfach nach hinten umfallen und liegt damit auf mir, weil ich mich zwischen die Mehlsäcke gequetscht habe. So bin ich zumindest rundum gegen Splitter geschützt. Die erschreckten Pferde rennen los, als ob ihnen der Teufel im Nacken säße. Damit entkommen wir den Flammölgranaten der „Stalinorgel“ ohne einen Kratzer, aber der Landser hat große Mühe, die dahin rasenden Pferde wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ein Glück das die Russen nicht mit Sprenggranaten geschossen haben.

Wenig später biegt auch mein Pferdefuhrwerk von meinem Weg ab und ich laufe frierend und fluchend alleine weiter durch die Dunkelheit und Kälte. Dann aber überholt mich ein LKW, dessen Beifahrer, ein recht arroganter Offizier ist, mir gnädig erlaubt, auf dem Trittbrett mitzufahren. Ich halte mich am Gestänge des Rückspiegels und am Türgriff fest und bin im Schneetreiben fast erfroren, als wir in stockdunkler Nacht in Wyssokinitschi ankommen (für mich mit der Erfahrung, wie man es als Offizier nicht machen sollte, denn im Führerhaus des LKW wäre noch Platz gewesen).

Da es sich um ein lang gestrecktes Straßendorf handelt, brauche ich im dichten Schneegestöber eine halbe Stunde, bis ich endlich den Abteilungsgefechtstand gefunden habe. Hungrig, völlig erschöpft und halb erfroren melde ich mich beim Kommandeur, Major i.G. Lotz, der mir knüppelhart befiehlt, sofort den Rückweg zum Kampftrupp anzutreten, um Oberleutnant Gersteuer einen Befehl zu überbringen.

Ich bin sauer und erbost über diesen Befehl, bitte aber nur, wenigstens vorher etwas essen und bei der Poststelle die Post für meinen Flakkampftrupp – Kameraden heraussuchen zu dürfen. Das wird mir genehmigt.

In diesem Augenblick taucht Oberleutnant Kaufmann, unser bisheriger Batterieoffizier auf, der zum Stab versetzt worden ist. Er hört sich meine Geschichte über den Herweg an und erreicht, dass ich über Nacht beim Stab bleiben darf. Nun kann ich in Ruhe die Post für die Kameraden heraussuchen und endlich auch einmal wieder ungestört schlafen.

20.11.1941: Ich fahre mit dem Kommandeur zu unserer Flakkampftruppe zurück. Während der Fahrt stellt sich heraus, das der Bruder des Kommandeurs einer meiner Kameraden aus dem 9. OEJ (Offizier – Ergänzungs- – Jahrgang) ist. Er ist zurzeit im Einsatz bei einer Flakeinheit des Regiments „Hermann Göring“.

Ordensverleihung

Ordensverleihung

Nach dieser Feststellung ist der Kommandeur wesentlich zugänglicher. Von Oberleutnant Gersteuer erfahren wir, dass der KW II aus der von mir erkundeten Stellung inzwischen ohne eigene Verluste geknackt worden ist. Der Kommandeur verleiht unserem Chef das EK I. Dann verschwindet er mit seinen Begleitern rasch wieder aus der eisenhaltigen Luft im Brückenkopf. Der Chef hört sich fast belustigt meine Erlebnisse auf dem Weg zum 15 km entfernten Bataillonsgefechtsstand an und erteilt mir dann den Auftrag, eine Gefechtsmeldung und einen Erlebnisbericht für eine Zeitung zu schreiben. Da habe ich wenigstens ein bisschen Ruhe!

Nachstehend die Abschrift der Gefechtsmeldung:

Flakkampftruppe I/704 20.11.1941

Gefechtsbericht Nr.3

Bei dem am 16.1.1941 stattgefundenen Durchbruchsversuch russischer Panzerkampfwagen durch die Infanterielinie im Abschnitt der 2. / IR 460, blieb ein 45 to Panzer, anscheinend mit Motorschaden 300 m vor den eigenen Linien in den vordersten russischen Stellungen liegen.

Er hatte die eigene Linie durchbrochen, sich jedoch nach Zusammenbruch des russischen Angriffs auf die deutschen Stellungen zurückgezogen. Der Feindpanzer bedrohte mit seinem Geschütz und seinem MG den gesamten Abschnitt der 2. Kompanie, Infanterieregiment 460. Versuche den Panzer mit Pak (3,7 und 5 cm) zu vernichten misslangen ebenso wie zwei Stoßtrupps, die am Feuer der russischen Infanterie und der Abwehr des Panzers scheiterten.

Als erneut am 20.11.1941 die Gefahr erneuter russischer Panzerangriffs als bestätigt angesehen werden konnte, wurde eine ostwärts von Kremenki eingesetzte 8,8 cm Flak herausgezogen, um den bewegungslosen Feindpanzer zu vernichten.

Die 8,8 cm Flak wurde unter Führung des Flakkampftruppführers dich hinter den vordersten Linien in Stellung gebracht und der Panzer mit 3 Panzergranaten bekämpft. Schon der erste Schuss erzielte Brandwirkung. Kurze Zeit später wurde der Panzer durch Explosion der Munition und des Brennstoffes völlig vernichtet. Anschließend wurde die russischen Infanterie Linien mit guter Wirkung mit Sprenggranaten bekämpft.

Munitionsverbrauch 3 Schuss panzerbrechende und 6 Schuss Sprengmunition.

Eigene Verluste: keine

gez. Gersteuer

Oberleutnant und Flakkampftruppführer

21.11.1941: Ich schreibe den Bericht fertig. Im Laufe des Tages ziehen wir in unseren „neuen Bunker“ unter einem zusammengestürzten Haus am ostwärtigen Ortsausgang von Kremenki. Dort steht auch unsere 8,8 cm Flak, als Bretterverhau gut getarnt. Wir machen es uns so gemütlich wie möglich. Ein selbst gebastelter Kanonenofen spendet wohlige Wärme. Das macht aber auch die Läuse in unseren Hemden aktiv und wir gehen auf Läusejagd. Jeder zählt seine täglichen „Abschüsse“. Nur unser Chef lacht und behauptet, er werde von den Läusen gemieden. Als wir ihn aber dann doch überreden konnten, sein Hemd einmal zu inspizieren, entpuppe sich geradezu als „Läusemutterschiff“. In den Hemdfalten wimmelte es nur so an Läusekolonien.

Wir bewunderten den Chef ob seiner dicken Haut, an der sich die Läuse offenbar nicht vergreifen. Von nun an sucht aber der Chef auch tagtäglich mit, wenn wir unseren abendlichen Einsätzen als „Kampftrupps“ gegen die Läuseplage durchführen. Karte an die Eltern: „Noch immer sind wir mit den Flakkampftrupp vorn, wir haben am 16. und 20. 11. sechs Panzer abgeschossen…. Mein Lehrgang beginnt erst am 1. Januar 1942. Da kann ich noch allerhand mitmachen.“

22.11.1941: Der Russe schießt Störfeuer mit Granatwerfern und Artillerie. Sonst ist es ruhig. Vor unserer Stellung liegt seit den letzten Kämpfen eine tote Russin, die zu einem vor uns eingesetzten russischen Frauenbataillon gehört haben muss. Die Infanteristen die sich bei uns ab und zu einmal waschen und rasieren, erzählen dass gerade dieses Bataillon unerhört tapfer und hartnäckig gekämpft habe. Die junge Soldatin ist steif gefroren und bei dem tief vereisten, steinharten Boden nicht zu beerdigen. Wir machen immer einen großen Bogen um sie. Es ist halt doch ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, dass hier auch Frauen als Kämpferinnen in vorderster Linie eingesetzt werden.

Wir erledigen Post, bauen unseren Bunker weiter aus, fangen Läuse und entwickeln raffinierte Methoden, die Biester zu erledigen. Die einen kochen die Wäsche in einem alten Marmeladeeimer und wollen so die Läuse und ihre Brut töten. Andere knacken sie einzeln und benennen ihre Beute je nach Größe als T34, KWI oder KWII und führen Strichliste.

beim Läuseknacken

beim Läuse knacken

Ich versuche es mit einer selbst erdachten Kälte-Methode dazu buddle ich meine Unterhemden und die Unterhose im Schnee ein und lasse nur ein Zipfelchen heraus stehen. Dorthin verzieht sich dann das Läusepack. Der Einfachheit halber schneide ich den Zipfel dann ab. Aber das geht nur kurze Zeit gut, da dann die Unterwäsche wie von Kugeln durchlöchert aussieht und nicht mehr wärmt. Die Läuse aber sind von unseren taktischen Raffinessen unbeeindruckt und ärgern uns weiter.

26.11.1941: Ich schreibe einen sechs Seiten langen Brief an meine Eltern. Tagsüber schieben wir eine ruhige Kugel. Der Chef fordert Ablösung für die Bedienung an. Ich soll als Geschützführer vorne bleiben und fasse das als besondere Auszeichnung auf. An der Front ist es erstaunlich ruhig. Man glaubt sich nach den vorhergegangenen Großkampftagen in eine andere Welt versetzt. Hoffentlich braut sich da vor uns nichts Böses zusammen.

24.11.1941: Der Tag verläuft ruhig, vom Störfeuer der Russen abgesehen. Wir hocken im Bunker, als er zwei dicke „Koffer“ in die Nähe unserer Stellung setzt. Der Luftdruck bläst unser Bunkerlicht zweimal aus. Wir sind nicht schlecht erschrocken.

25.11.1941: Heute ist Geschützbedienung „Anton“ eingetroffen und die Männer von „Dora“ fahren zurück zur Batterie. Nach der Einweisung hocken wir wegen der überfallartigen Störfeuers im Bunker, lesen, schreiben oder knacken Läuse.

26.11.1941: Ich weise einen Melder im Brückenkopf ein. Als ich zurückkomme ist der Abteilungskommandeurs Major i. G. Lotz da. Er lässt sich vom Chef den Einsatzplan und die Stellungen erläutern. (Anmerkung: Lotz war dann nach dem Krieg einige Zeit „Chef“ bei den Volkswagen–Werken.)

27.11.1941: Die Front ist ruhig. Wir machen Feuerholz, lesen, schreiben, diskutieren und verbringen einen ruhigen Tag. An die Feuerüberfälle haben wir uns gewöhnt. Gegen Abend verliest der Chef des nachfolgenden Tagesbefehl des Kommandeurs der II. / IR 460, Major Müller.

28.11.1941: Auch heute herrscht relativ Ruhe. Wir erhalten jetzt öfters Post, die ist uns lieber als die „Koffer“, die der Russe aus der Gegend von Serpuchow herüber schickt.

29.11.1941: Anscheinend hat sich der Russe auf unseren Bunker eingeschossen. Die Einschläge liegen beängstigend nahe. Wir fassen den Entschluss die Bunkerdecke zu verstärken.

30.11.1941: Heute ist 1. Advent. Gleich nach dem Frühstück decken wir den Bunker mit einer weiteren Schicht Erde und Steinen ab. Das erweist sich bei dem gefrorenen Boden als sehr zeitraubend und außerdem können nur die kurzen Feuerpausen der russischen Artillerie und Granatwerfer ausgenutzt werden. Wir sind erst gegen Mittag fertig.

Etwa um 14:30 Uhr schlägt plötzlich krachend die Salve eines Granatwerfers unmittelbar um unseren Bunker herum ein. Unser Posten am Geschütz, Obergefreiter Franz Seichter, wird durch Splitter in den Bauch schwer verwundetet. Ein Infanteriefeldwebel, der sich zufällig bei uns aufhält, wird durch Splitter getötet. Der Chef persönlich fährt Franz Seichter mit unserem Zugfahrzeug zum nächsten Hauptverbandsplatz. Nicht auszudenken was hätte geschehen können, wenn die Granatwerfer Salven während unser Arbeit am Bunker eingeschlagen wären.

Ein schwarzer Tag für uns, dieser 1. Advent. Wir haben einen Adventskranz in unserem Bunker, an dem abends die 1. Kerze angezündet wird, aber unsere Stimmung ist gedrückt. Wir denken an den verletzten und getöteten Kameraden und jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach.

II. Bataillon / Infanterieregiment 460 – Bataillonsgefechtsstand, den 27.11.1941

Tagesbefehl

Nach 3 Wochen schwerster Kämpfe hat das Bataillon vorübergehend Ruhestellung bezogen. Die Leistungen von Führer und Mann im Brückenkopf Kremenki haben die volle Anerkennung aller Vorgesetzten bis zum Korps–General gefunden. Das Bataillon hat unter schwersten Bedingungen Leistungen vollbracht, die sich würdig dem Heldentum des Soldaten des I. Weltkrieg zur Seite stellen lassen. Alle Einheiten des Bataillons sind im selben Maß an dem Erfolgen der Siegreichen Abwehr überlegener Feindkräfte beteiligt.

Ich spreche allen Angehörigen des Bataillons für die hervorragenden soldatischen Tugenden, die bei diesem schwersten bisherigen Kampf gezeigt wurden, meinen Dank und meine volle Anerkennung aus.

Alle Soldaten die während des Einsatzes in der „Hölle von Kremenki“ ausgezeichnet wurden, werde ich in den nächsten Tagen noch beglückwünschen.

Vom Führer und Obersten Befehlshaber wurde mir das „Deutsche Kreuz in Gold“ verliehen.

Ich trage diese Auszeichnung, die dem tapferen II. Bataillon gilt, für alle Soldaten des Bataillons und bin stolz, dass durch diese hohe Auszeichnung das Bataillon besonders geehrt wurde.

Nach einer gewissen Zeit der Ruhe und Erholung werden wir erneut unsere Pflicht tun und nicht ruhen, bis die letzte Endscheidung dieses Krieges gefallen. Dieser Befehl ist bis 27.11., 18:00 Uhr jedem Soldaten bekannt zu geben.

gez. Müller,

Major u. Bataillonskommandeur

01.12.1941: Ein Ersatzmann für den verwundeten Kameraden trifft ein. Wir erhalten den Sold ausbezahlt, aber was sollen wir hier vorne damit? Der Russe ist heute sehr unruhig. Er ballert nervös in den Brückenkopf hinein und lässt uns den ganzen Tag nicht in Ruhe.

Der Chef meint wir sollten hier halten, bis Guderian Tula genommen hat und dann über Serpuchow den Kessel südlich Moskau schließen. Wo aber bleibt Guderian?

02.12.1941: Es ist wieder ruhig geworden, aber wir sind trotzdem vorsichtig, denn die Granatwerfer hört man nur durch ein dumpfes „Pflopp“ beim Abschuss. (Wenn der Wind günstig steht und die Front sonst ruhig ist.) Man weiß aber nie wohin der „Segen“ geht, bis es plötzlich kracht. Artilleriegeschosse kommen dagegen mit einem heulenden Ton, der bei einiger Erfahrung verrät, wohin ungefähr die Granaten gehen. Wir hocken daher den ganzen Tag im Bunker und nur der Posten beobachtet aus seiner Deckung, unmittelbar neben der 8,8.

Feldlatrine

Feldlatrine

Abends wird Oberleutnant Gersteuer durch Oberleutnant Weinrich abgelöst. Leutnant Weinrich kommt aus Kassel. Er war dort Schulkamerad von Ilse Werner, die wir alle als Filmschauspielerin kennen und für die vor allem wir Jüngeren schwärmen. Er zeigt uns sogar Bilder von ihr mit ihrer Widmung. Der Vater des Leutnants soll ein hohes Tier in der Partei sein. Der Leutnant hat ein batteriebetriebenes Radio mitgebracht und abends hören wir zum ersten Mal den Soldatensender Belgrad und das Lied „Lili Marleen“. Das geht uns doch ein bisschen unter die Haut und an die Nieren.

03, 12.1941: Nun gehen wir nur noch durch die Tür, wenn wir Wache haben oder zur Latrine müssen, die wir behelfsmäßig in einem windgeschützten Winkel des zerschossenen Hauses eingerichtet haben. Oftmals ist der Weg zur Latrine und der Aufenthalt an diesem deckungslosen Platz eine Art „Wettlauf zwischen Dünnschiss, Kälte und Artilleriefeuer“. Wir sind alle begierig, die so lange entbehrten Musiksendungen und die spärlichen Nachrichten von Front und Heimat zu hören.

„Heimat deine Sterne“, „Gute Nacht Mutter, gute Nacht“ von Wilhelm Strienz auf unnachahmliche Art gesungen, stimmen uns Nachdenklich und machen das verhärtete Gemüt weich. Und jeden Tag fragen wir uns wieder „Wo bleibt Guderian?“

04.12.1941: Über Nacht ist es unheimlich kalt geworden! Das Thermometer soll -27° bis -30° Grad angezeigt haben. Man scheut fast den Weg zur Latrine. Nun ist die Kälte ein Grund mehr, im Bunker zu bleiben und bis um 24:00 Uhr Radio zu hören. Ich schreibe einen Brief an meine Eltern.

05.12.1941: Unsere Zugmaschine ist eingefroren. Sie ist gegen die große Kälte nur unzureichend geschützt. Nur mühselig kriegen wir sie wieder in Gang. Wir sollen am 08.12. durch die Bedienung „Cäsar“ abgelöst werden. Das tägliche Artilleriefeuer wäre dann erst einmal überstanden. In unserem Frontabschnitt ist es auch heute wieder schon fast verdächtig ruhig. Wir warten auf Post aus der Heimat.

8,8 cm Flak in Stellung

8,8 cm Flak in Stellung

06.12.1941: Auch heute herrscht Ruhe an der Front. Wir diskutieren ob Guderian den Kessel noch schließen kann.

07.12.1941: Heute beginnt für mich die 5. Woche hier vorn beim Flakkampftrupp. Gegen Nachmittag bringen Kameraden Post nach vorn. Sie bringen auch die Nachricht für mich mit, dass ich am 15.12. also in gut einer Woche, zum nächsten Fähnrichslehrgang nach Rerik muss. Vielleicht gelingt es mir auf den Weg nach Rerik ein paar Tage Urlaub „herauszuschinden“. Für meine Eltern wäre es eine tolle Überraschung, wenn ich an Weihnachten oder Neujahr zu Hause sein könnte. Es wäre für Sie sicher das schönste Weihnachtsgeschenk.

Dann bin ich mit meinem Gedanken wieder mein meinen Kameraden hier vorn. Unser Angriff liegt fest – und Schnee und Kälte behindern nach dem Schlamm jede Bewegung mit Fahrzeugen. Hoffentlich geht das alles noch gut! ……

Hier enden die Aufzeichnungen.

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