Aus den Aufzeichnungen von Leutnant Leonhard Friedrich Peters

Der Author, Leutnant Peters

Der Author, Leutnant Peters

Während unserer Ausbildung hatte der Krieg gegen Russland begonnen und schon bald wurde Ersatz für die Fronttruppen gebraucht.

Immer mehr Soldaten aus den Ersatzeinheiten wurden an die Front abkommandiert. Wir konnten uns fast ausrechnen, wann wir an der Reihe waren.

Als unsere Ersatzkompanie nur noch 18 Mann stark war, schrieb ich nach Hause, dass es der letzte Termin sei, wenn Mutter mich noch vor meiner Abstellung besuchen wollte. Sie kam spontan und als sie dar war, war ich schon für die Frontkommandierung eingekleidet. Im Parkhotel neben dem Staatstheater konnte ich meine Mutter unterbringen. Am 6. August 1941 feierten wir beide ihren 39. Geburtstag. Sie hatte viele gute Sachen mitgebracht, an denen ich mich noch einmal labte. Unser erster Abschied fiel uns beiden sehr schwer, aber wir konnten uns noch einmal im Hotel treffen und danach gingen wir mit frohem Mut und guter Zuversicht auseinander. Das war am 7. August 1941. Inzwischen gehörte ich zum Marschbataillon 1011, 2. Kompanie, offiziell vom 7.8. – 25.8.1941.

Am 11. August verließen wir Braunschweig. Die Fahrt ging über Halle, Leipzig, Falkenberg, Breslau, Kattowitz, Kielce, Radom nach Leopoldow. Dort blieben wir drei Tage, zogen als Feldwache auf und erlebten den ersten Partisanenüberfall. Am 18. August ging es weiter in Richtung Osten über Luchow, Brest-Litowsk, Berya-Kartuska, Baranowicze, Minsk (21.8.1941), Smolowitsche nach Orscha. Hier wurden wir am 22. August umgeladen nach Rogatschew. Dort endete der Bahntransport und weiter ging die Fahrt auf LKW zur 260. Infanteriedivision. So landete ich nicht bei den Goslarer Jägern sondern bei einer baden-württembergischen Einheit, die dringend Ersatz brauchte. Von Gomel (24. August 1941) marschierten wir an die Front und sahen die Zeugen des blutigen Krieges. Ich wurde der 4. MG-Kompanie, Infanterieregiment 470, zugeteilt. Feldpostnummer 25233E.

Ab dem 24. August 1941 war ich in vorderster Front eingesetzt. Am 27. August schrieb ich meinen Eltern: „Habe Feuertaufe durch Flugzeug- bzw. Panzerangriffe (10 Panzer, 32 Tonnen) hinter mir, alles andere sowieso …“ und weiter: „alles ist sehr, sehr schwer, der Krieg ist grausig und furchtbar in seinen Auswirkungen – und ich bin zu jung dazu!“ Nach wenigen Tagen hatte ich schon die Bedingungen für das Infanterie-Sturmabzeichen erfüllt, das sagt schon alles.

Wir schlugen den Brückenkopf über den Fluss Desna, hielten ihn zeitweise in Igelstellung, machten eine weitere Flussüberquerung der Desna bei Borski. Aber wir hatten, so schreibe ich am 12.9.1941, 50% Ausfälle, wörtlich: „ Ich sehe und erlebe viel, aber man kann dies Erleben nicht beschreiben, kaum in Worte fassen.“ Nach wenigen Tagen meines Einsatzes zählte unser Zug nach 17 Mann von einmal 37. Am 5.9.1941 schreibe ich schon: „Hoffentlich ist der Laden bald zu Ende!“

Auch schreibe ich von der Gefangennahme tausender russischer Soldaten. Noch heute sehe ich die nicht endenden Kolonnen Gefangener durch die weiten der sowjetischen Landschaft (nördliche Ukraine) ziehen – traurige, elende Gestalten. Weiter schreibe ich: „Die Grässlichkeiten des Krieges, Tote, Verwundete, Verwüstungen und alles überhaupt fordern viel Kraft.“

Unsere Division (260. Infanteriedivision) wurde im OKW-Bericht wegen besonderer Leistungen im Brückenkopf Tschernihiw genannt. Am 12.9.1941 schreibe ich, dass ich der Einzige sei, der mit der Braunschweiger Ersatzkompanie kam, der noch bei der Fronttruppe überstanden hatte.

Nach dem 12.9.1941 wurden wir aus dem Vormarsch herausgezogen. Wir erhielten einige Ruhetage und wurden dann nach Norden in Marsch gesetzt. Dabei kamen wir wieder an den Plätzen vorbei, an denen wir in schweren Kämpfen gestanden hatten. Wir marschierten täglich 30 – 40 km. Ende September erreichten wir den Bereitstellungsraum für einen neuen Einsatz. Auf dem Marsch lernten wir den Partisanenkampf kennen. Dieser tückische Kampf wurde auch „Freischärlertum“ genannt. In den Nächten wurde es schon kalt. Winterkleidung sollte nicht ausgegeben werden, deshalb machte ich mir aus alten Socken Pulswärmer.

Am 2. Oktober 1941 traten wir zum Großangriff in Richtung Moskau an, links von uns die 17. Infanteriedivision, rechts das Infanterieregiment 460. Um 3:30 Uhr war „Wecken“, danach Appell mit Verlesung eines Führeraufrufes, der Glauben und Hoffnung für einen baldigen Endsieg im Osten vermitteln sollte. Um sechs Uhr setzten unsere Artillerieschläge ein. 25 Stukas (Ju 87) unterstützten unseren Angriff und Sturmgeschütze gingen mit uns vor. In meinem Tagebuch halte ich fest, dass mich an diesem Angriffstag fünf Granatsplitter treffen, die aber alle keinen Schaden verursachen. Wieder ging es über die Desna, hinter der der Russe ein umfangreiches Stellungssystem ausgebaut hatte.

An diesem 2. Oktober 1941 hatten wir in der 4. Kompanie, Infanterieregiment 470 14 Ausfälle, in meinem Zug fielen zwei Soldaten. Am 4.10. durchbrechen wir die dritte Linie der russischen Feldstellungen, überqueren die Bolwa, stürmen mit „Hurra“ zu wiederholtem Male. An diesem Tag erbeuten wir zum ersten Mal Waffen aus den USA.

Schlammperiode

Schlammperiode

Am 5.10.1941 müssen wir einen unangenehmen Waldkampf überstehen. Am nächsten Tag schaffen wir 35 km vorwärts zu kommen und dadurch steigen die Hoffnungen auf eine baldige positive Entscheidung für uns. Nach zwei Monaten erhalte ich am 7.10. die erste Post von zu Haus! Welch Ereignis! Der kommende Winter macht sich immer mehr bemerkbar, Schnee und Regen lösen sich ab. Die Wege werden grundlos, die Pferde machen schlapp, brechen zusammen, erreichen die gesteckten Gefechtsziele nur unter größten Schwierigkeiten, „General Schlamm“ regiert.

Im Tagebuch halte ich fest: „Naturkontraste – herrlich gefärbter Herbstwald, Schneelandschaft und auch noch grüne Laubbäume.“ Liegen an der Oka in Sicherung, überqueren sie am 11.10. und schaffen 20 km, nehmen viele Gefangene und erbeuten viele Waffen und Gerät. Die Ugra ist der fünfte Fluss über den wir müssen. Am 12.10. dringen wir nachts in die Stadt Kaluga ein. Dort finden wir erstmals Stadtwohnungen, die ansprechend möbliert sind. In einer Schnapsfabrik fassen wir Wodka und Liköre in Kochgeschirren mit der Folge, dass sich der „Weitermarsch“ am nächsten Morgen erheblich verzögert.

Der Divisionskommandeur Generalleutnant Paul Völkers, „Papa Völkers“ genannt (Anm. des Autors: Kommandeur der 78. Sturm- und Infanteriedivision, wahrscheinlich war das Regiment zu dieser Zeit der 78. ID unterstellt), kommt nach vorn zu uns, um Anerkennung für die Leistungen der letzten Wochen auszusprechen. Er erklärt: „Das Marschziel der Division heißt Moskau, wir haben nur noch Militärschüler und uniformierte Arbeiter vor uns!“ In meinem Tagebuch versehe ich diese Aussage mit einem Fragezeichen.

In einem Brief vom 17.10. schreibe ich, dass wir seit dem 2.10. über 200 km vorgestürmt sind. Aber ich schreibe auch, dass ich nicht glaube, dass der „Scheiß“ hier bald zu Ende geht. Weiter schreibe ich in dem Brief von großen Verlusten und vom „Festliegen“ seit zwei Tagen. Im Tagebuch steht am 16.10.von größerem Läusebefall, durch die Witterung bedingt, mussten wir in Häusern Unterkunft suchen. An meine Eltern schreibe ich am 17.10.: „Ich glaube nicht, dass der Krieg bald zu Ende geht. Bin müde, schlapp, ohne Zuversicht, vollkommen fertig, ich mag nicht mehr, möge der Krieg nur bald ausgehen!“

In den nächsten Tagen berichte ich von Versorgungsschwierigkeiten, vom überstarken Gegner, der völlig frische Truppen einsetzt und zur Verfügung hat. Vor Alexin liegen wir am 21.10., unsere 4. Kompanie besteht nur noch aus 40 Soldaten (!), die 3. Kompanie hat nur noch 31 Mann und hatte zu Beginn des Feldzuges 191 Mann Kampfstärke. In meiner Gruppe waren wir noch vier. Wieder einmal hatte ich großes Glück, ein Granattreffer explodierte auf der Deckung meines Schützenloches, ich wurde verschüttet, aber blieb unversehrt.

Nach den letzten harten Kämpfen und hohen Verlusten wurden wir abgelöst und lagen einige Tage als Sicherung längs der Oka. Doch am 7.11. ging es weiter Richtung Osten und erreichen einen Punkt 27 km vor Serpuchow. Der Frost bleibt jetzt auch am Tage, der Schnee bleibt liegen.

Am 14.11.1941 erreicht mich viel Post aus der Heimat, darunter auch 17 200g-Päckchen, die zusätzliche Winterkleidung enthalten wie Kopfschützer, Pulswärmer, Handschuhe, Knieschützer und Wollhemden („Seelenwärmer“). Damit war ich im Gegensatz zu meinen Kameraden ganz gut ausgerüstet. In einem Brief zähle ich auf, was ich alles anziehe, um mich gegen die Kälte zu schützen: Unterwäsche, Pullover, Drillichanzug, Tuchanzug, Halstuch, Mantel und zwei Paar Strümpfe.

Am 12.11. schreibe ich: „Ich kann gar nicht verstehen, dass man uns noch einsetzt, denn wir sind doch nur noch ein kleines Häufchen Soldaten, die alle gerne den Schluss dieses Kampfes sehen würden“. Doch darf man seine Gesinnung ja nicht „heraushängen“, man schweigt halt und macht weiter und „ich hoffe immer noch an die Richtigkeit des Führerwortes. Doch soll es wahr sein, muss es bald, recht bald sogar, zu Ende gehen!“

abgeschossener T34

abgeschossener T34

In dieser Zeit wurde ich auch als Melder eingesetzt und erlebte auf dem Weg zum Bataillonsgefechtsstand den für uns ersten Einsatz der legendären, russischen Panzer T34. Der Chef der 13. Panzerabwehr-Kompanie (IR 470) bekam einen Nervenzusammenbruch, nachdem er mit seinen 3,7 cm-Paks über 40 Treffer ohne Wirkung erzielte. Die 3,7 cm-Paks erhielten darauf den Namen „Panzeranklopfgerät“.

Am 13.11.1941 greifen wir wieder an, kommen aber nur langsam vorwärts und müssen wieder zurück. In einem Wald entlang der Schneise bauen wir am 16.11. mit Hilfe der Pioniere Stellungen und Bunker. Wir liegen in der Nähe von Ostrow und erleben ständige Angriffe der Russen.

Am 22.11. abends werden wir abgelöst, nach Gosteschewo verlegt und können uns endlich mal wieder menschenähnlich machen. Von dort schreibe ich einen langen Brief: „Ist es auch unglaublich, unsagbar schwer, nervenaufreibend, anstrengend, zermürbend, unverständlich, unnötig und unbegreiflich, so hilft denn doch immer der Glaube an die Erfüllung unserer großen Aufgabe. Ihr könnt nicht ermessen, was geleistet wird, in den Zeitungen steht so viel, das Radio spricht sehr wortreich, die Wirklichkeit sieht doch ganz anders aus, das erkennt nur der, der dabei war. Doch Ihr versteht ja, was gespielt wird! Was nützen alle Sondermeldungen, alle Erfolge, wenn der Russe immer wieder mit frischen Kräften da steht, angreift, freilich geschlagen wird, doch uns immer wieder Verluste beifügt, wir nicht vorwärts kommen und nicht abgelöst werden. Einmal wird Schluss sein, aber wann und wie werden wir aussehen? Ich verzweifle nicht, aber begreifen tue ich diesen ewigen preußischen Kommiss nicht!“

Gosteschewo im Jahr 2006

Die Kirche von Gosteschewo im Jahr 2006

Die Weihnachtspost schreibe ich am 27. November 1941 von Gosteschewo aus. Auch einen einfachen Wunschzettel habe ich gemalt, auf dem der einzige Wunsch steht: „Ich wünsche mir, das Fest in Deutschland feiern zu dürfen!“

Im Tagebuch halte ich am 1. Dezember fest, dass ich mich krank fühle und starke Leibschmerzen habe. Am 2.12. erfolgte die Krankmeldung. Ich hatte 39,2° Fieber und so große Schmerzen im Rücken, in den Hüften und im Unterleib, dass ich kaum stehen und mich bücken konnte. Der Bataillonsarzt schickte mich zum Hauptverbandsplatz, der in einer ehemaligen Kirche lag. Während ich abtransportiert wurde, zogen meine Kameraden wieder nach vorne in die Feldstellung. Im offenen LKW ging die 15 km lange Fahrt. Am 3.12. wurde ich ins Feldlazarett gebracht, das 30 km weiter westlich lag. Im geheizten (!) Sanka mit vier Schwerverwundeten und fünf weiteren Kranken wurden wir gefahren, weiter ging es in einer Art Möbelwagen zur Sammelstelle in Medice.

Am 5.12. ging der Transport weiter nach Juchnow (ca. 50 km) im offenen LKW bei -28°C. Roslawl ist die nächste Station und auf einer Rast dorthin gibt es an der Rollbahn gute Verpflegung. Mit der Eisenbahn sollen wir weiter nach Smolensk, aber Partisanen hatten die Gleise gesprengt. In einem großen Sanitätswagen (10 Mann) werden wir dann nach Smolensk gebracht, dort mit 70 Mann in einen Wagon gepackt und ab ging die Fahrt nach Westen über Minsk, Brest-Litowsk ging es nach Ostrow-Maz nördlich von Warschau. 300 der 1200 Verwundeten und Kranken wurden dort ausgeladen.

Ich komme in das Reserverkriegslazarett Ostrow, Distrikt Warschau, Abteilung I, und bin nun 1600 km von der Front entfernt. Welche Wohltat war das Baden und Waschen und die Entlausung. Die Untersuchung ergab, dass ich eine Blasen- und Nierenentzündung und einen Harnröhrenkatarrh hatte, darüber hinaus erfrorene Füße (2. Grades), beide große Zehennägel gingen ab. Wir fühlten uns wie im Paradies, lagen in weißen Betten, wurden von deutschen DRK-Schwestern betreut, konnten Radio hören, Zeitungen lesen und wurden gut versorgt.

Meine Verwunderung darüber, dass der Führer Adolf Hitler sich selbst zum Oberbefehlshaber des Heeres gemacht hatte, schrieb ich meinen Eltern in einem Brief vom 22. Dezember 1941.

Das Weihnachtsfest wurde im Lazarett bereits am 23.12. begangen, weil für die Weihnachtstage weitere Lazaretttransportzüge erwartet wurden. Uns wurde viel Gutes geboten, eine Kiefer ersetzte den Tannenbaum. Ich hatte noch keine Erlaubnis zum Aufstehen, nahm aber trotzdem an der Feier teil. Am Zweiten Weihnachtstag bekam ich als Einschreiben die erste Post wieder von daheim, damit war die briefliche Verbindung nach zwei Monaten wieder geschlossen. Mit Freude hörte ich im Radio in der Weihnachtssendung die Glocken von Flensburg.

Bis zum 27. Dezember blieb ich im Rotkreuz-Lazarett Ostrow, mit einem Lazarettzug ging es weiter nach Westen. Über Warschau, Litzmannstadt (Lodz), Kalesch, Ostrow, Lissa, Glogau, Kohlfurt, Görlitz, Dresden, Pirna, Bodenbach, Ahrensdorf landeten wir am 30. Dezember 1941 in Zwickau im Sudetengau und kamen dort ins St.Martinstal-Sanatorium, das als Reserve-Lazarett diente. Der Empfang war großartig und die Versorgung erstklassig. Mutter eilte sofort zu mir, sie kam am 3.1.1942. War das eine Riesenfreude! Sie blieb sechs Tage! Dadurch fand ich wieder mein seelisches Gleichgewicht! Ich blieb im Reservelazarett bis zum 15. Januar 1942 und in truppenärztliche Behandlung entlassen.

Der Ersatztruppenteil des Infanterieregiments 470 lag zu dieser Zeit in Luneville, Frankreich. Nach einer umständlichen Fahrt landete ich am 17. Januar 1942 dort und kam in die Genesenden-Kompanie, wo ich viele alte Kameraden traf, die schlechte Nachrichten von der Fronttruppe hatten. Ich erhielt drei Wochen Genesungsurlaub, in denen meine Eltern und viele andere alles aufboten, um mich körperlich und seelisch wieder aufzurichten. Am 15. Februar war ich wieder in Luneville und bewarb mich als Reserveoffiziersanwärter (ROA) und kam als Ausbilder in die 4. MG Ersatz-Kompanie. Während dieser Zeit wurde ich auf einen Lehrgang des Regiments geschickt zur Eignungsprüfung als Reserveoffizier.

Anschließend konnte ich meinen Jahresurlaub nehmen, den ich wegen der ROA-Prüfung unterbrechen musste. Den Resturlaub konnte ich im April nachholen. In Luneville wurde ich weiterhin als Ausbilder eingesetzt und als Fähnrich ausgebildet. Auf die Kriegsschule konnte ich leider von dort nicht geschickt werden, weil nach einer neuen Verfügung dem Besuch einer Kriegsschule (Waffenschule) eine mindestens zweimonatige Bewährung als Gruppenführer vor dem Feind vorausgehen musste. Diese hatte ich leider nicht.

Am 7. Mai 1942 wurde mir mitgeteilt, dass ich in Einzelmarsch (Einzelabstellung) zu meiner alten Einheit (4. MG Kompanie / IR 470, 260. Inf. Division) kommandiert wurde. Bereits einen Tag später am 8.5. fuhr ich wieder gen Osten. Über Stuttgart ging es nach Wien und weiter ging die Fahrt über Prag, Warschau nach Krakau. Mit einem Lazarettzug fuhren wir sicher und gut bis Roslawl, 180 km hinter der Front. Auf den weiteren Etappen gab es ein Wiedersehen mit Juchnow und Smolensk, bevor ich am 25. Mai 1942 meine alte Einheit erreichte.

Von den Kompanieangehörigen, die 1941 als Infanteristen eingesetzt waren, traf ich nur einen Obergefreiten als Einzigen an. Er durfte als erster Fronturlauber direkt nach meiner Ankunft in die Heimat fahren. Vom Tross waren noch mehrere da, so der Hauptfeldwebel – er hieß Stauffenberg – und der Fahrer unseres Gefechtswagens Münsing, er war „Bäuerle“ von der Alb.

Die Pferde unseres Gefechtswagens hatten auch alles überstanden und waren kaum zu beruhigen, als ich sie begrüßte. Während des Vormarsches – der furchtbare Rückmarsch blieb mir erspart – hatte ich die Pferde immer zusätzlich versorgt, das hatten sie anscheinend nicht vergessen. Alle meine direkten Vorgesetzten waren durch Verwundungen ausgefallen, mein Gewehrführer Unteroffizier Gerhard Götz, mein Gruppenführer Unteroffizier Ritter und mein Zugführer Oberfeldwebel Müller, den ich 1943 in Tübingen als Hauptfeldwebel wieder treffen sollte und 1944 bei Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte wenige Tage vor der Gefangennahme.

Das Elchkalb beim Divisionsstab

Das Elchkalb beim Divisionsstab

Die Division lag wieder an der Desna, nahe bei Juchnow, in einem durchgehenden Stellungssystem. Der Russe hatte auf der östlichen Seite entsprechende Stellungen ausgebaut, er machte viel Lautsprecherpropaganda und forderte zum Überlaufen auf – ohne Erfolg. Ein Erlebnis besonderer Art hatte ich bevor ich zur Kompanie kam. Wir RO-Bewerber sollen dem Divisionskommandeur vorgestellt werden. Man hielt beim Divisionsstab ein Elchkalb, das man gefangen hatte und aufziehen wollte. Den damit beauftragten Soldaten gab ich Ratschläge aus der Erfahrung mit der Aufzucht von Lämmern, als Junge hatte ich von meinem Vater ein Lamm geschenkt bekommen und musste es mit der Flasche aufziehen. Der Wärter teilte meine Ratschläge dem General mit, der mich sofort holen ließ und befragte. Bei der Vorstellung sagte dann der General dann zur Überraschung der Anwesenden: „Na Peters, wir kennen uns ja schon, ist gut, machen Sie Ihre Sache gut!“ So schrieb ich es auch nach Hause.

Nach kurzem Einsatz im Kompanietrupp wurde ich als Gruppenführer eingesetzt, hatte eine „eigene“ Gefechtsstellung mit zwei schweren MG, mit einer Schein- und Beobachtungsstelle, einen Beobachtungsstand, einen Scharfschützenstand und einem Wohnbunker. Die Stellungen wurden zum großen Teil während meiner Zeit dort neu gebaut. Mit Wirkung vom 1. Juli 1942 wurde ich zum Unteroffizier befördert, nachdem ich vorher zu mehreren Stoßtruppunternehmen teilgenommen hatte. Am 23. Juli 1942 musste ich mich um 15:30 Uhr beim Regimentskommandeur melden und wurde zum 11. O.A.-Lehrgang kommandiert. Beim Kompaniechef meldete ich mich am 25. Juli 1942, 6:00 Uhr, ab, bis ich am 5. August 1942 letztmalig von der Feldpostnummer 25233 E schrieb und die 4. MG Kp / I.R. 470, 260. I. D. verließ.

Am 14. September schrieb ich von Ulm von einer Gelbsucht, aber weil ich unbedingt den OA-Lehrgang mitmachen wollte, meldete ich mich nicht krank. In Ulm wurden wir vorzüglich neu eingekleidet und nach Tübingen, Hindenburg-Kaserne, zu einem Vorbereitungslehrgang verlegt.

Nach wenigen Tagen konnte ich nicht mehr, wurde ins Krankenrevier befohlen (!) und von dort dem Reservelazarett III (Altes Standortlazarett), Mathildenstr. 32, überwiesen. So kam ich nach ¾ Jahren wieder ins Lazarett, der 11. Lehrgang an der Waffenschule war „passe“ und ungewiss die weitere Zukunft.

Ich hatte die Krankheit verschleppt, die Heilung dauerte dadurch länger, man bekam die Krankheit nicht in den Griff. Mehrere Male wurde ich dem beratenden Internisten, Professor an der Tübinger Universität, vorgestellt. Ich bekam alle möglichen Anwendungen und Medikamente und hatte strenge Bettruhe. Ende Oktober besuchte mich Mutter (24.-28.10.1942). Im Lazarett wurde ich optimal von Familie, Freundeskreis und HJ-Organisationen (Bann, Gebiet und Reichsjugendführung) betreut. Ernst Anfang Dezember durfte ich täglich eine halbe Stunde aufstehen. Am 7.12.1942 bekam ich die Aufforderung des Jäger-Ersatz-Bataillons 56 Kolmar/Westenark für den 12. OA-Lehrgang. Nach Rücksprache mit dem Oberarzt musste ich erkennen, dass ich auch diesen Lehrgang nicht besuchen konnte.

Auch Weihnachten und Silvester musste ich noch im Lazarett verbringen, bevor ich Anfang Januar 1943 zum Grenadier-Ersatz-Bataillon 470, 1. Genesenden-Kompanie, entlassen wurde. Das Grenadier-Ersatz-Bataillon war zwischenzeitlich nach Tübingen verlegt worden und so blieb ich in der Hindenburg-Kaserne. Hier traf ich viele Kameraden aus früherer Zeit. Für drei Monate wurde ich garnisionsverwendungsfähig geschrieben. Erst mal ging es in Genesungsurlaub. Danach erhielt ich im Dienst verschiedene interessante Aufgaben, u.a. besuchte ich einen Gaskursus. An meinem Geburtstag konnte ich meinen Jahresurlaub antreten und wieder 14 schöne Tage in Flensburg verleben. In meiner weiteren Verwendung wurde ich einer Landesschützen- bzw. Marschkompanie als Ausbilder zugeteilt. Mit dieser Einheit war ich für eine Woche zum Scharfschießen auf dem Truppenübungsplatz Münsingen, wo wir am Tag 16 Stunden Dienst machten bei zwei Stunden Mittagspause und nur sechs Stunden Nachtruhe. Nach Rückkehr besuchte Mutter mich zum vierten Mal in meiner Soldatenzeit, um zweiten Mal in Tübingen.

Endlich am 14. April 1943 wurde ich mit den anderen ROB des Wehrkreises V zur Kriegsschule nach Metz in Marsch gesetzt, meine neue Adresse: Schule VI für OA der Infanterie, 8. Inspektion (schwere Infanterie-Waffen), Lehrgruppe II, 29. Abteilung. Von meiner Einheit (Ersatzbataillon 470) erhielt ich folgendes Zeugnis:

„Zielbewusster, entschlossener Charakter, zuverlässig, strebsam und diensteifrig! Geistig vielseitig begabt und beweglich! Körperlich kräftig, zäh und ausdauernd! Führung sehr gut! Sehr gute Kenntnisse und Leistungen in allen Dienstzweigen! Besitzt Fronterfahrung. Außerdienstliches Verhalten einwandfrei! Beliebter Kamerad. Besitzt Führereigenschaften. Für Kriegsoffizierslaufbahn besonders geeignet!“ gez. Hauptmann Schmezer.

Die Kaserne wurde zum ersten Mal für derartige Lehrgänge eingesetzt. Deshalb war manches in Ordnung zu bringen. Der Dienst war hart und forderte den vollen Einsatz. Es war oft schwer, die Konzentration für das viele Lernen aufzubringen. Wecken war um 4:30 Uhr, Zapfenstreich um 22:30 Uhr. Wir mussten viele „Hausaufgaben“ schreiben, taktische Arbeiten, Gefechtszeichnungen, Kampf- und Erlebnisberichte, Wissensarbeiten auf verschiedenen Gebieten u.a. so auch die Gefallenennachricht an eine Mutter. Auch eine Sportprüfung wurde uns abverlangt. Leider zog ich mir eine Entzündung am Fuß zu, die geschnitten werden musste und mir nur teilweise gestattete, den Dienstbetrieb mitzumachen. Trotzdem wurde ich mit Wirkung am 1. Juni 1943 zum Fahnenjunker-Feldwebel mit nur neun Kameraden von der ganzen Inspektion befördert.

Die Kriegsschule VI in Metz verließ ich am 24. Juli 1943 als Oberfähnrich und konnte mich zu Hause als solcher vorstellen. Ich brachte folgende Beurteilung mit: „Einwandfreier Charakter, sehr lebhaft und aufgeschlossen, spricht manchmal etwas viel und frei, selbstbewusst, reißt seine Untergebenen durch seinen Schwung und seine Einsatzbereitschaft mit sich fort, über nationalsozialistische Haltung nichts nachteiliges bekannt, HJ-Führer, Fronterfahrung vorhanden. Gewandtes Auftreten als Führer, sehr rege Befehlsgebung, klar und bestimmt, Auftreten vor der Front sicher und energisch. Dienstliche Kenntnisse zufriedenstellend, ausreichendes taktisches Verständnis. Geistig gut veranlagt, vielseitig begabt und interessiert, körperlich voll leistungsfähig, zäh und ausdauernd. Führung sehr gut. Außerdienstliches Verhalten einwandfrei, gute Umgangsformen, im Kameradenkreis beliebt. Schlussurteil: Durchschnitt, zu Offizier geeignet, Zugführer MG Kp. Übernahme in die aktive Offizierslaufbahn dringend erwünscht.“

Ich kam zurück zu meiner alten Einheit nach Tübingen und wurde von dort am 5. August 1943 zum Truppenübungsplatz Münsingen beordert, wo 240 Oberfähnriche des Wehrkreises V zur weiteren Ausbildung zusammengefasst wurden. Der Lehrgang sollte planmäßig bis zum 27. Oktober dauern, einschließlich vier Wochen an der Fahr- und Reitschule V in Aalen. Aber schon nach wenigen Tagen wurden viele abberufen und fuhren als Leutnante an die Front.

Am 14.8.1943 wurde ich an die Reit- und Fahrschule überwiesen, da waren bereits 2/3 der Lehrgangskameraden abkommandiert. Das Lehrgangsende in Aalen war für den 15.9. vorgesehen. Die Ziele waren hochgesteckt: im Reiten bis zum Hilfsreitlehrer, im Fahren Viererzug.

Die Zeit an der Reit- und Fahrschule war sicher mit die schönste Zeit, während ich bei den Soldaten war. Das Reiten in der Bahn und im Gelände das Fahren auch im Viererzug und sogar im Sechserzug vom Sattel hat mir viel Spaß gemacht. Wir ritten auch auf Kandare, leichte Dressur und wurden im Longieren ausgebildet. Ich schaffte die Prüfung als Hilfsreitlehrer und mit vier weiteren Kameraden das Fahrabzeichen.

Vorzeitig, am 4. September 1943 wurde der Lehrgang in Aalen abgebrochen und ich fuhr über Tübingen weiter nach Münsingen. Dort wurde der Lehrgang fortgesetzt, aber es waren nur noch wenige Kameraden verblieben. Meine Abberufung kam am 15. September 1943. Innerhalb einer ¾ Stunde musste ich marschbereit sein. Ich wurde einer neuen Einheit zugeteilt und zwar der 78. Sturm-Division (auch eine baden-württembergische Division), die westlich Wjasma lag. Mit Wirkung vom 1. September wurde ich zum Leutnant der Reserve befördert.

Hier endet die Zeit von Leutnant Peters in der 260. Infanteriedivision. Er war dann Ordonnanzoffizier für die Bereiche I und II im Sturmregiment 195. Er hat sämtliche Unterlagen aus der Zeit aufbewahrt. Den Teil ohne familiären Bezug hat er dem Stadtarchiv Flensburg zur Verfügung gestellt. Dem damaligen Leiter Dr. Pust hat er mehrere aufgezeichnete Interviews gegeben, die den Vormarsch der 260. Infanteriedivision interessant dokumentieren.

11. Oktober 1940 Kriegshilfsdienst
10. März 1941 28. April 1941 Reichsarbeitsdienst Wittenberg/Mecklenburg
5. Juni 1941 4. M.G. Kompanie, Infanterieersatzbataillon 17, Braunschweig
11. August 1941 1. Marschbefehl nach Russland, 4. MG-Kompanie, Infanterieregiment 470, 260. Infanteriedivision
2. Dezember 1941 27. Dezember 1941 Krankmeldung, Lazarettaufenthalt Ostrow
30. Dezember 1941 15. Januar 1942 Lazarett St-Martinstal, Zwicka, Sudetenland
17. Januar 1942 7. Mai 1942 Luneville Frankreich
8. Mai 1942 25. Juli 1942 2. Marschbefehl nach Russland (1. Juli Beförderung zum Unteroffizier)
14. September 1942 Lazarettaufenthalt in Tübingen (Gelbsucht)
Januar 1942 Grenadier-Ersatz-Bataillon 470
14. April 1943 24. Juli 1943 Kriegsschule Metz (Beförderung zum Oberfähnrich)
5. August 1943 15. September 1943 Lehrgang Aalen (Beförderung zum Leutnant)
20. September 1943 3. Marschbefehl nach Russland 78. Sturmdivision
31. März 1944 27. April 1944 Urlaub in der Steiermark und Flensburg
27. April 1944 4. Marschbefehl nach Russland 78. Sturmdivision
6. Juli 1944 Gefangennahme nahe Orscha
Mitte Juli 1944 24. April 1947 Kriegsgefangener im Lager 7150 Grasowecz
24. April 1947 27. September 1947 Kriegsgefangener im Lager 193 Sokol
7. Oktober 1947 31. Oktober 1949 Kriegsgefangener im Lager 144 Irmino, Woroschilowgrad,..

 

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