Die 260. Infanteriedivision lag am 20. November 1941 mit dem Hauptgefechtsstand in Lgowo und dem rückwärtigen Gefechtsstand in Saworowo entlang der Oka, gegenüber von Serpuchow, bis die Russen am 15. und 16. Dezember 1941 über die Oka bei Alexin durchbrachen.
Die Front des XXXXIII. Armeekorps kam durch diesen Durchbruch ins Wanken und war auf gesplittert.
Der Ib der Division (Quartiermeister) mit der Divisionskartenstelle verließ am 18. Dezember 1941 Saworowo und ging über Baranzowa nach Tytschino zurück.
Am 20. Dezember wurde über Golodnja, Masenki, Ljagpunowo, Roschtscha, Katschukowa, Wilema, Korytnja, Nowoje Seld nach Nedelnoje noch weiter zurück verlegt. Und da die Ortschaft durch zurück flutende Trosse überfüllt war, fuhr man weiter nach Kasarinowo.
Hier lag die Stabsabteilung bis zum 23. Dezember. Dort bekam ich den Befehl bei Nacht durch einen Schlittenspähtrupp festzustellen, wie weit die russischen Truppen bereits vorgerückt waren.
Mit einem Panjepferd vor dem Schlitten und zwei Kameraden (einer davon war Karl Pfeil aus Biberach) fuhren wir gegen 20:00 Uhr los, kamen entlang dem Suchodrew-Bach im Tal durch Kudinowo, besetzt von deutschen Trossen, durch Posharki, feindfrei und leer, bis vor Mal. und Bol. Krapiwnja.
Auf dem Schlitten fest gefroren, bei -30 Grad bekamen wir gleich von 3 Seiten Maschinengewehrfeuer mit Leuchtspurmunition. Wir wendeten und fuhren den gleichen Weg zurück. In Kudinowo warnten wir die Trosskameraden das die Russen nur 6 Kilometer entfernt standen. Bei unserer Rückkehr wurden wir in Kasarinowo von unseren eigenen Leuten unter Feuer genommen.
Die Nacht verging bei klirrender Kälte, teilweise auf Posten stehend. Bei Tagesanbruch, um 08:00 Uhr war es soweit: 3 Bataillone sibirischer Truppen – alle groß, mit Maschinenpistolen bewaffnet, auf Skiern mit weißen Schneetarnhemden griffen Kasarinowo von allen Seiten an. Die Soldaten der Trosse aus Kudinowo kamen von den Russen – zum Teil in Unterwäsche und Socken, aber ohne alles andere – gejagt auf unser Dorf zu.
Bei dieser massiven Übermacht mussten wir nach heftigen Kämpfen weichen und unter massivem Feuer der Russen nach Nedelnoje ausweichen. Dort waren Teile unseres Trosses mit dem Divisionsnachschubführer die uns Feuerschutz gaben.
Aber die Russen griffen von Süden, Westen und Norden an und zogen den Gürtel um Nedelnoje immer enger und nach wilden Nahkämpfen wurden wir – unter Verlust unserer Trosse und allem persönlichem Hab und Gut – aus dem Städtchen geworfen.
Etwa 1 Kilometer östlich von Nedelnoje bei einem hölzernen Vermessungspunkt gruben wir uns am Heiligen Abend 1941 im Schnee ein.
Hier lagen nun Trosse, Stäbe, Pioniere, Versprengte und Waffenlose nebeneinander in feldgrauen Uniformen. Ein perfektes Ziel auf weißem Grund! Ohne schwere Waffen, nur mit unseren Karabinern bewaffnet. Und dann kamen sie – bei Nacht griffen sie an.
Links von mir lag ein Oberfeldwebel – Pionier – mit dem ich Sprechverbindung hatte. Als ich in einer Gefechtspause keine Antwort bekam und keinen Ton auf mein Rufen hörte kroch ich hinüber. Keine Antwort auf meine Fragen. Stumm lag er auf dem Bauch. Ich wollte ihn umdrehen, griff nach seiner linken Seite und hatte sein noch warmes Herz in der Hand. Ein Granatwerfergeschoß hatte ihm die ganze Seite aufgerissen, war mit einem leisen „Patsch“ direkt neben ihm krepiert. Eine Frau hatte keinen Mann mehr und zwei Kinder haben ihren Vater verloren.
Deshalb entstand dieser, mein Nachruf! Zwei Tage aus einem 10-jährigen Soldaten- und Kriegsgefangenenleben.
NedelnojeHermann Knödler