Das III. Bataillon des Infanterieregiments 480 hält im Winter 1941/42 mit schwachen Gefechtsstärken nach wiederholter Umgruppierung seinen viel zu breiten Abschnitt in den Stellungskämpfen an der Ugra. Die Artillerie der Division unterstützt die Infanterie dabei in wirksamer Weise. Hinsichtlich der artilleristischen Stärke waren bei den einzelnen Divisionen größere Unterschiede.
Die 260. Infanteriedivision war im Gegensatz zu anderen Verbänden in dieser Hinsicht verhältnismäßig gut daran. Am Schluss des Winterfeldzuges verfügte sie meines Wissens noch über 24 leichte und 3 schwere Feldhaubitzen, also insgesamt 27 Rohre. Diese artilleristische Kraft bedeute für die schwachen infanteristischen Kräfte einen starken Rückhalt. Gerade während der 4 Wochen in der Ugra Stellung trat unsere Divisionsartillerie zusammen mit der 8,8-cm Flak des Flugplatzes Juchnow mehrfach durch massierte Feuerzusammenfassung machtvoll auf den Plan und verdarb damit dem Russen manches Konzept.
Die russischen Soldaten haben meines Wissens nach dem Angriff vom 08. Februar 1942 beiderseits der Rollbahn vor der Division nicht mehr ernstlich angegriffen, von Erkundungsvorstößen abgesehen, jedenfalls nicht im Abschnitt des Infanterieregiments 480. Vor meiner Bataillonsfront waren auch einmal die Ruinen von Nataljewka und ein Waldstreifen dicht südlich davon das Ziel eines Feuerüberfalls unserer Divisionsartillerie einschließlich Flak.
Am 18. Februar übernahm Oberstleutnant Grosser vom Infanterieregiment 460 vorübergehend die Führung des Infanterieregiment 480. Major Dr. Friker erhielt soweit ich mich entsinne, die Führung über eine Kampfgruppe der Division, bestehend aus einem Bataillon des Infanterieregiment 460 (170 Mann) und der Aufklärungsabteilung 260 (40 Mann), um weiter nördlich bei einer anderen Division eine Schweinerei auszubügeln. Von dieser Aktion kehrten, wie mir später gelegentlich unser Divisions – Ia Major i. G. Köstlin sagte, nur 13 Mann zurück!
Übrigens musste damals jeder Mist gemeldet werden. Neben den eigenen Munitionsverbrauch musste auch noch der Verschuss der Russen angegeben werden. Mag sein, dass dieses mit dem 24. Februar etwas zu tun hatte, an dem man als dem „Tag der Roten Armee“ einen feindlichen Generalangriff erwartete. Als mir diese Melderei eines Tages zu dumm wurde, nahm ich ein Zeichen dafür das auch gelegentlich der Humor zu seinem Recht kam, den Ordonanzoffizier des Regiments, Leutnant Blitz (1943 als Hauptmann und Regimentsadjutant gefallen) mit folgender Meldung auf die Schippe:
„Hinter den stehen geblieben Kamin in Nataljewka protzt um 11:40 Uhr ein Russe ab. Genaue Beobachtung mit dem Fernglas ergab, dass er Durchfall hatte. Zum Abwischen benutze er die Reichsausgabe des „Völkischen Beobachter“ vom 08.12.1941“ (das war meines Wissens die Ausgabe, in der zu lesen stand das die Russische Armee derart zerschlagen sei, das sie zu Gegenaktionen größeren Ausmaßes nicht mehr in der Lage sei und das deutsche Ostheer einen ruhigen und gemütlich Stellungskrieg entgegen geht).
Der gute Leutnant Blitz nahm das zunächst für bare Münze, dann kam es ihm aber doch komisch vor und er fragte was das zu bedeuten hätte. Darauf ich: „Ihr wollt doch immer jeden Scheißdreck wissen, da habt ihr mal buchstäblich welchen.“
Ein anderes Mal forderte ich einen Pionier mit Sprengmunition an, um die knüppelhart gefrorenen Stalagmiten in der Gefechtstandlatrine sprengen zu lassen. Auch darauf fiel er herein. Zu deren Beseitigung gehört lediglich ein Axthieb.
Für den 22. Februar 1942 hatte der Russe eine besondere Überraschung in petto: Als Gruß am Sonntagmorgen schickte er uns von 05:30 Uhr bis 06:00 Uhr einen Artilleriesegen von rund 325 Schuss, meist schwere Brocken auf Ustinowka und näheren Umgebung. Mein Friedhof zeigte sich besonders empfänglich für diese unerfreulichen Gegenstände. Aus dem schönen kräftigen Baumbestand entstand ausgesprochener Baumsalat. Es sah dort hinterher so aus, als ob ein Wirbelsturm darüber hinweggefegt wäre. Verluste traten Gott sei Dank nicht ein. Unsere Unterstände die nur halb in der Erde drin waren und nur eine schwache Decke hatten, hätten selbst einen kleinkalibrigen Volltreffer nicht ausgehalten.
Mein Adjutant, Oberleutnant Burkon, schlief während dieser Kanonade wie ein Murmeltier und hörte von der ganzen Sache nichts. Ich habe ihn darum beneidet, denn ich hatte stets einen so leichten Schlaf, das ich auch nachts jede Meldung die einging – sie musste ja vom Schreiber vom Dienst wiederholt werden – mitbekam, so das ich Morgens auch ohne Unterrichtung darüber im Bilde war was sich nachts ereignet hatte.
Am 23. Februar um 07:00 Uhr erfolgte eine Wiederholung des russischen Morgensegens vom Vortag in gekürzter Ausgabe mit etwa 175 Schuss. Am Nachmittag war beim Regimentskommandeur Besprechung, da man allgemein am nächsten Tag, dem 24. Februar (Tag der Roten Armee), einen russischen Großangriff erwartete, der aber ausblieb.
In den letzten Februartagen herrscht Tauwetter und Regen. An sich war der Februar ein schöner sonniger und nicht allzu kalter Monat gewesen. Die Sonne hatte schon solche Kraft das der Schnee auf unseren Versorgungswegen restlos weg taute und wir gezwungen waren für diese Schnee zu organisieren damit unsere Versorgungsschlitten fahren konnten. Nachts sankt die Temperatur auf etwa – 20° Kälte.
Eine große Freude hatten wir in diesen Tagen insofern, als endlich die Weihnachtpost eintraf. Auch mit den großen Trossen konnte die Verbindung hergestellt werden. Diese saßen unter dem Kommando des Chefs der Regimentsstabskompanie 480, Hauptmann Merkel, in einem Ort westlich der Straße Juchnow- Wjasma und wehrten sich gegen Partisanen, durchgebrochene und aus der Luft abgeworfene Feindkräfte ihrer Haut. Als Kuriosum muss man es bezeichnen das die Gefechtsstärke der Trosse zur Verteidigung der Unterkunft höher war, als die der Kampftruppe des Regiments an der Front. Ihnen stand ja praktisch jeder Mann zur Verfügung, rund 265 Köpfe. Die Fronttruppe hatte diese Stärke seit den ersten Januartagen nicht mehr erreicht.
Das Bemerkenswerteste während dieser 4 Wochen in der Ugra-Stellung war die Tatsache, dass die Kampfhandlungen hinter der Front meist umfangreicher und heftiger waren als an der Front. Weit westlich Juchnow, bei Barsuki, fand eine Kesselschlacht gegen 2 russische Divisionen statt, die von Südosten her gegen die für uns so wichtige Rollbahn Roslawl – Moskau vorgestoßen waren. Auch von Norden her stieß der Feind mit durchgebrochenen Kräften gegen die Rollbahn vor.
Alle Nase lang war die rückwärtige Verbindung unterbrochen. Mit Panzern und Sturmgeschützen musste zeitweilig ein regelrechter Geleitzugdienst durchgeführt werden, um die Versorgung der Front sicherzustellen. Gelegentlich war nur Versorgung aus der Luft möglich. Dann ging es auf den Flugplatz Juchnow zu, obwohl dieser von weittragender russischer Artillerie erreicht werden konnte, wie im Frieden auf dem Flugplatz Tempelhof.
Der Russe besaß sogar die Frechheit, hinter unserer Front zwei Flugplätze in Betrieb zu halten, deren Rollfeld er nachts mit Lampen markierte. Darüber hinaus warf er rücksichtslos wie er war, seine Leute aus niedrigste fliegenden Flugzeugen ohne Fallschirm ab. Das sich dabei trotz des tiefen Schnees mancher Soldat das Genick und die Knochen brach, war ihm ziemlich gleichgültig.
Am 01. März fand eine Besprechung beim Regiment über das bevorstehende Ausweichen auf die Ressa-Stellung westlich Juchnow statt, das in der Nacht vom 03. auf den 04. März nach der üblichen Tour vollzogen wurde.
Es war eine sehr kalte Vollmondnacht inzwischen war ein neuer Kälteeinbruch erfolgt, der Mitte des Monats die Temperaturen nochmals auf – 46°Grad Kälte sinken lies, in der zahlreiche Rollbahnkrähen die Gegend unsicher machten. Die vorhergegangene Nacht wäre wesentlich günstiger gewesen, da war nämlich eine totale Mondfinsternis.
Die Ressa-Stellung war tatsächlich die letzte und endgültige Stellung, die bis zur „Büffelbewegung“ im März 1943 gehalten wurde. Damit fand das Zeitalter der siegreichen Rückzüge des Winters 1941/42 sein Ende. Seit Beginn der Rückzugskämpfe, also seit der Aufgabe des Brückenkopfes Kremenki hatte das Regiment rund 17 Widerstandslinien besetzt, davon so und so viele endgültig.
Das Regiment dessen Führung inzwischen wieder Major Dr. Friker übernommen hatte, zog zunächst in Andrejevskoje unter.
H. Gauding