Im Vormarsch Anfang Oktober 1941 erbeuteten Soldaten unserer Division bei schweren Kämpfen und hohen Verlusten auf beiden Seiten eine Fahne, als der Stab der 21. sowjetischen Schützendivision einen Ausweg aus dem bestehenden Kessel bei Bryansk suchte und dabei gefangen genommen wurde.
Diese rote Fahne, gut 2 Quadratmeter groß, umrandet mit goldfarbigen Fransen, mit eingestickter Inschrift und dem Zeichen „Hammer und Sichel“ in der Mitte, wanderte als Kriegsbeute in den Fundus unserer Division und später zur Verwahrung in das Archiv der Stadt Ludwigsburg.
Der Vorsitzende des Kameradenhilfswerkes der ehemaligen 260. Infanteriedivision erinnerte sich an diese Fahne und besprach mit uns seine Idee, die Gelegenheit zu nutzen und die Fahne einem Fernsehteam mit auf dem Weg nach Belarus zu geben. Diesem Ansinnen stimmte der gesamt Vorstand zu. Man brachte aus unserem im Stadtarchiv eingelagerten Fundus die Fahne mit und nun erfolgte die feierlich Übergabe an den Journalisten Alexander Galanskij mit der Bitte um Weiterleitung und Übergabe an den rechtmäßigen Eigentümer, die Streitkräfte in Belarus.
Die ehemaligen Soldaten hoffen sehr, dass damit noch bestehende Hindernisse beseitigt wurden und das Kriegsgräberabkommens (das von der Bundesrepublik Deutschland bereits 1996 unterschrieben wurde) doch noch vom Staat Belarus ratifiziert wird und die Gefallenen auf einem Sammelfriedhof umgebettet werden.
Nach diesem feierlichen Akt der erneuten Annäherung und Freundschaft erfolgte nun die eigentlich Aufgabe des Fernsehteams und der redegewandten Dolmetscherin mit den beiden Zeitzeugenbefragungen der 260. Infanteriedivision.
Als der Journalist und der Kameramann alles im Kasten hatten, bedankte sich das Team für die freundliche Aufnahme bei uns in Deutschland. Wir wünschten dem Fernsehteam eine gute und gefahrlose Heimreise am folgenden Tag mit der Bitte, ganz Belarus, und dabei besonders die noch lebenden Veteranen des Krieges, von uns herzlich zu grüßen.
So wurde ein weiteres, kleines Kapitel der Versöhnung geschrieben!
Lothar Barth