In stockdunkler Nacht und bei strömenden Regen gelang es den Russen, unbemerkt durch unsere dünn besetzte Hauptkampflinie zu sickern.
Mit etwa 75 Mann hindurch zu schleichen und bis zu meinem Kompanie-Gefechtsstand, der nur wenige Meter dahinter lag, vorzudringen. Es war 01:00 Uhr nachts als ich die Posten kontrollierte und nichts Verdächtiges feststellen konnte. Meine Bunkerbesatzung (6 Mann) hatten sich bereits zum Schlafen gelegt, während der Sanitätsunteroffizier die Wache übernommen hatte.
Gegen 02:00 Uhr wollte ich mich ebenfalls hinlegen, als ich plötzlich vor meinem Bunker eine heftige Detonation hörte, vermutlich eine Handgranate. Ich sprang sofort zur Tür, riss sie auf und sah etwa 6 Russen vor dem Eingang stehen. Sofort schlug ich die Bunkertür wieder zu und stemmte mich dagegen, wobei mich der Sanitätsunteroffizier unterstütze. Die Russen versuchte mit aller Gewalt die Tür einzudrücken, was ihnen jedoch nicht gelang. Plötzlich ließ der Druck von außen etwas nach. Da ich das Anbringen einer Sprengladung vermutete, befahl ich sofort „Volle Deckung“. Nach wenigen Sekunden erfolgte plötzlich ein schwere Schlag, die Bunkertür flog in tausend Fetzen, Tisch und Stühle wirbelten wild durcheinander, der Telefonapparat fiel klirrend zu Boden, stechender und beißender Qualm erfüllte den Bunker.
Es dauerte mehrere Sekunden bis ich wieder zu Besinnung kam. Meine übrige Bunkerbesatzung, die durch diese Detonation ziemlich unsanft aus dem Schlaf geweckt wurde, kam allmählich wieder zu Atem. Geistesgegenwärtig griff ich sofort zu einem in der Nähe stehenden Gewehr und feuerte Schuss um Schuss durch den Bunkereingang, bis ich 5 Gewehre leer geschossen hatte. Während dieser Zeit warf der Russe eine Handgranate nach der anderen vor meinen Bunkereingang, bis schließlich eine in den Bunker traf, durch die wir alle leicht verwundet wurden. Nach dieser Detonation versuchte ich aus den Bunker zu kommen und warf ebenfalls Handgranaten vor den Eingang.
Nachdem ich etwa 20 Handgranaten nach links, rechts und auf den Bunker geworfen hatte, sprang ich aus dem Bunker heraus, um den Quergraben zu erreichen, der nur wenige Meter entfernt war. Nach wenigen Schritten flogen mir unzählige Handgranaten vor die Füße, so dass ich sofort wieder kehrt machte und in Deckung ging. Erneut warf ich nach allen Seiten Handgranaten und ein Mann meiner Bunkerbesatzung schoss mit seiner Maschinenpistole, was das Zeug her gab. Daraufhin machte ich nochmals den Versuch mit einem Mann den Quergraben zu erreichen und diesmal gelang es.
Handgranate über Handgranate warf ich über die Deckung. Ein Teil der Russen ergriff bereits die Flucht. Einem Russen, der gerade in meinen Graben springen wollte, legte ich eine Handgranate vor die Füße. Als dieser mich sah warf er sich sofort hin und im gleichen Augenblick detoniert die Handgranate unter ihm.
Inzwischen kamen die übrigen Männer meiner Bunkerbesatzung nach. Wir rollten sofort den Graben nach links auf. Nach etwa 30 Metern stießen wir auf 2 Mann meiner Nachbargruppe, die meldeten, dass weiter links kein Russe mehr im Graben sei. Mit meinen 6 Männern stieg ich aus dem Graben und stieß dem Gegner bis zum Drahthindernis nach. Gleichzeitig eröffnete das 30 Meter weiter links eingesetzte schwere MG das Feuer auf die zurück flutenden Russen.
Nach Erreichen eines weiteren Drahthindernisses setzte schlagartig das feindliche Abwehrfeuer (Granatwerfer, Pak, schwere Maschinengewehre) ein und wir zogen uns daraufhin wieder zurück.
Als wie uns unserem Bunker näherten, hörten wir plötzlich lautes „Hurräh“-Gebrüll. Wir sahen etwa 5 Russen auf unserem Bunker stehen, die mit ihren Maschinenpistolen ununterbrochen auf den Bunkereingang schossen, in der Meinung wir wären noch drin. Vorsichtig schlichen wir uns von rückwärts heran, vernichteten 4 Russen und nahmen einen Soldaten gefangen.
Nach Aussage des Gefangenen hatte der Russe den Auftrag gehabt, mit 75 Mann unsere HKL zu durchstoßen, unseren Bunker zu sprengen, die Besatzung zu vernichten und den in der Nähe befindlichen schweren MG Stand auszuräumen. Der Russe verlor dabei neben vielen Toten und Verwundeten eine große Anzahl seiner Handfeuerwaffen (Maschinenpistolen und Gewehre). Trotz der zehnfachen Überlegenheit des Feindes ist ihm weder das Sprengen des Bunkers noch das Ausheben der MG-Stellung gelungen.
Major Otto Vincon