Sababje ist der Name eines kleinen russischen Dorfes an der Bahnlinie Bobruisk – Schlobin – Gomel im Grenzgebiet zwischen Weißrussland und der Nordukraine. Für die Soldaten der 260. Infanteriedivision, insbesondere der Männer des Infanterieregiments 460 unter Oberstleutnant Lindner ist der Name mit der Erinnerung an eine Lage verbunden, die für die Division nicht alltäglich war. Im Gesamtbild der Kampfhandlungen des Jahres 1941 steht der Name Sababje vor allem für den Erfolg des Dnjepr-Übergangs bei Streschin.
Die Vorgeschichte: Am Südflügel der Heeresgruppe Mitte hatte sich nach harten Kämpfen das Höhere Kommando XXXV mit der 1. Kavalleriedivision und der 45. Infanteriedivision durch die Pripjet-Sümpfe geschlagen. In der bis dahin tiefen und offenen Flanke südlich und südwestlich Bobruisk hatte das XXXXIII. Armeekorps unter General Heinrici mit 131. Infanteriedivision, 134. Infanteriedivision und 260. Infanteriedivision in Angriff und Abwehr die russischen Anstrengungen, mit Panzer- und Kavallerieverbänden den Rollbahn-Nachschub westlich Bobruisk zu unterbinden, in verlustreichen Kämpfen zum Scheitern gebracht. Und endlich hatten sich die von Westen kommenden Verbände des Höheren Kommandos XXXV und die nach Süden angreifenden Truppen des XXXXIII Armeekorps im Raum Osaritschi vereinigt.
Die nun freigewordenen Divisionen des XXXXIII Armeekorps sollten nun etwa vom 10. August 1941 an in allgemein ostwärtiger Richtung, die Stalin-Linie am Dnjepr durchstoßend, dem über Rogatschew nach Süden eindrehenden XII. und XIII. Armeekorps ostwärts des Dnjepr die Hand reichen. Die gesamte, zwischen den Heeresgruppen Mitte und Süd ablaufende Operation führte die 2. Armee unter Generalfeldmarschall von Weichs. Mit dieser Bewegung löste sich die 2. Armee von der Heeresgruppe Mitte und leitete die nördliche Umfassung der russischen Heeresgruppe Budjonny in der Ukraine ein. Am äußersten Ostflügel dieser Aktion operierte die Panzergruppe Guderian. In der Nacht vom 11. zum 12. August ging die 260. Infanteriedivision bei Schazilki ohne gegnerischen Widerstand über die Beresina, die etwa 35 Kilometer südostwärts davon in den Dnjepr fließt. Die Regimentstruppen schoben sich mit Aufklärung und Sicherung an den Dnjepr heran. Von dem überragend steilen Westufer konnte man das flachere, stark versumpfte und bewaldete Hinterland des Ostufers tief einsehen.
Nördlich von uns hatte sich die niedersächsische 267. Infanteriedivision ebenfalls an den Dnjepr heran geschoben und bei Streschin bereits Vorbereitungen zum Übergang getroffen. Hinter uns folgte die 134. Infanteriedivision, deren Infanterieregiment 445 unter Oberst Heinze uns mit der Weisung unterstellt wurde, es am Südflügel einzusetzen.
Auf Grund der weiter fortgeschrittenen Übergangsvorbereitungen der 267. Infanteriedivision verabredeten die beiden Kommandeure, möglichst starke Teile der 260. Infanteriedivision für den Übergang der 267. Infanteriedivision zu unterstellen. So rückten dann am 13. August unsere Infanterieregimenter 470 (Oberst Wenninger) und 460 über die Brücke bei Streschin. Infanterieregiment 445 gewann das Ostufer zunächst im Fährverkehr bei Schichowo am 13. und 14. August. Am zweiten Tag des Übergangs wurde auch dort eine Brücke fertig gestellt. Aus den Stellungen am Ostufer fiel kaum ein Schuss. Dagegen störte die russische Artillerie, unterstützt durch einige Tiefflieger.
Unsere Artillerie und die Panzerjäger konnten wegen des verzögerten Brückenbaus bei Schichowo nicht schnell genug folgen, um die Kämpfe zur Erweiterung des Brückenkopfes am 13. und 14. August ausreichend zu unterstützen. Der sowjetische Widerstand verstärkte sich mit der Vergrößerung des Abstands zum Dnjepr, denn nun hatten die Russen die tödliche Bedrohung ihrer noch nördlich von uns bei Schlobin stehenden Kräfte erkannt. Sie warfen alles, was schnell greifbar war, den Regimentern unserer beiden Divisionen entgegen. Auch am Südflügel wurde heftig um Gubitschi (Infanterieregiment 445, später Infanterieregiment 480 unter Oberst Hahm) gekämpft. Dort traten russische Entsatzverbände mit schweren Panzern aus Gomel auf.
Das Hauptziel des Brückenkopfes war die Sperrung der aus dem Raum Schlobin nach Gomel führenden Straßen und Bahnen, ehe nach Vernichtung der dadurch abgeschnittenen russischen Kräfte der Vorstoß nach Gomel fortgesetzt werden konnte. Das örtliche Ziel für den ostwärts des Dnjepr vorgetriebenen Keil war Sababje und die Keilspitze bildete das Infanterieregiment 460.
Die nach Süden eindrehenden Infanterieregimenter 445, 480 und 470 hatten die tiefe Südflanke des Keils zu schützen und die Ausgangsbasis für die Offensive auf Gomel zu sichern. Die nach Norden eingedrehte 267. Infanteriedivision hatte den Hauptstoß der von der Einschließung bedrohten russischen Kräfte bei ihrem Ausbruch nach Süden abzufangen. Die Keilspitze des Infanterieregiments 460 hatte die gleiche Aufgabe am Ostflügel der Nordfront, außerdem musste es im Norden die Verbindung mit den dort erwarteten Teilen des XIII. Armeekorps unter General Felber suchen. Auf dem harten Weg zu diesem Ziel machte das Regiment etwa 2000 Gefangene und erbeutete 36 Geschütze. Der 16. August ist nun durch die immer stärker werdenden und auch zu örtlichen Krisen führenden Angriffe der Russen zu Fuß, zu Pferde und mit Panzern gekennzeichnet. Der Schwerpunkt lag an der Nord- und Nordostfront des Brückenkopfes. Den sowjetischen Truppen gelangen gegenüber den schwach besetzten Linien einzelne Durchbrüche. Sie sickerten durch die Kavallerie-Verbände, motorisierten Gruppen und Infanterie in den Brückenkopf ein und schlugen sich dann auch durch die zweite Front nach Süden durch. Beim Infanterieregiment 460 wechselten eigene und gegnerische Angriffe. Die links benachbarte 267. Infanteriedivision hatte alle Hände voll zu tun um die Einbrüche zu bereinigen und die Durchbrüche in Grenzen zu halten.
In der Abenddämmerung des 16. August erreichte die Krise beim Infanterieregiment 460 in Sababje ihren Höhepunkt. Während Teile des Regiments umgruppierten, gelang es einer starken russischen Lkw-Kolonne mit Infanterie und begleitet von einigen Panzerspähwagen, im Schutze der Dämmerung, in den Ort Sababje zu fahren, um durchzubrechen. Hätte sich dieser Durchbruch lautloser vollzogen, wäre er wahrscheinlich geglückt. Da aber die Russen wild schreiend um sich schossen und mit Handgranaten warfen, ergab sich ein stundenlanges, wildes Gefecht. Stäbe und Trosse verließen schockiert den Ort, während die Kompanien des I. (Major Reithinger) und III. Bataillons (Major Grosser) und ein Rest des Regimentsstabes mit dem Adjutanten Hauptmann Zeifang schleunigst die Abwehr organisierten und durchführten. Schwache Teile des Gegners konnten entkommen. Nach Stunden klang das Gefecht ab und die Krise war gebannt.
Die aufgehende Sonne des 17. August beleuchtete ein Bild des Grauens. Eine Kolonne von über 20 zusammengeschossenen und zum Teil noch brennenden Kraftfahrzeugen, nur mehr beladen mit Toten und Verwundeten des Nachtgefechtes standen in und um den Ort. Auf 200 Meter Straßenlänge wurden 70 tote und 40 verwundete Russen gezählt. Die ansehnliche Beute konnte den entsetzlichen Eindruck nicht verdrängen. Die Verluste des Infanterieregiments 460 waren nicht sehr hoch, aber mit 11 Toten doch schmerzlich. Besonders hart wurde der Divisionsstab getroffen dessen 2. Generalstabsoffizier Hauptmann Ernst Vidal bei diesem Gefecht fiel. Der 17. August war noch einmal ein Tag höchster Anspannung. Bei der 267. Infanteriedivision gelang stärkeren sowjetischen Verbänden, Kavallerie und motorisierte Truppen mit einzelnen Panzern, der Durchbruch. Die Ortschaften im Inneren des Brückenkopfes wurden zu Festungen, an denen sich die verzweifelten Angriffe der Russen brachen. Von allen Seiten funkten Teile unserer Division um Hilfe. Alle Fernsprechverbindungen waren unterbrochen. Trosse, Einzelfahrzeuge und sogar eine gesamte Bäckereikompanie fielen den durchgebrochenen Russen zum Opfer. Teile der Panzerjäger- und Aufklärungsabteilung 260 fuhren im Brückenkopf von Ost nach West und umgekehrt umher, um die Nachschubwege wieder zu öffnen und zu sichern. Erst gegen Abend trat einige Beruhigung ein. Die Funkverbindungen konnten wieder hergestellt werden. Zugleich traf in Sababje die Vorausabteilung der 112. Infanteriedivision des XIII. Armeekorps ein. Die letzte große Lücke war geschlossen und die erste Aufgabe des Brückenkopfes erfüllt. Am 18. August gruppierte die Division um. Sie trat am nächsten Tag unter dem XIII. Armeekorps, rechts begleitet von der 134. Infanteriedivision zum Vormarsch auf Retschitza und Gomel an.