Am 13. Juli 1941 war ich im Raum Baranowitschi mit einigen Fahrzeugen der Werkstattkompanie 260 unterwegs und musste eine von Pionieren nur notdürftig und schmal gebaute Behelfsbrücke über ein kleines, tief eingeschnittenes Gewässer passieren.
Kurz vor dem jenseitigen Brückenkopf brach das letzte Fahrzeug in den schwachen Belag ein und die ganze Marschgruppe kam zum Halten. Wir bemühten uns mit allen Kräften das Fahrzeug wieder flott zu machen.
Es dauerte nicht lange als es wie Donner und Wetterleuchten herankam: Oberst Hahm. Er war sehr aufgebracht und stellte mir eine Frist: bis dann und dann müsse die Brücke wieder passierbar sein! Als er aber sah, wie schwierig und mühsam das war und wie redlich wir uns bemühten und endlich Erfolg hatten, war er jedoch beeindruckt und zufrieden.
Am 15. August 1941 nachmittags kam unser I. Zug an den Dnjepr. Die Pontonbrücke bei Sbrechin war für uns noch nicht freigegeben, so dass wir und dort über Nacht aufhalten mussten; neben einer Batterie, die wiederholt Salven feuerte. Anderntags um die Mittagszeit, nachdem bereits sowjetische Artillerie Störungsfeuer schoss, wurde der Übergang auch für uns freigegeben.
Jenseits des Stroms, über freies Feld fahrend, erreichten wir einen Wald, wo Pioniere der Berliner „Bärendivision“ (257. Infanteriedivision) unter zeitweiligem leichtem Artilleriebeschuss Bäume fällten und notdürftig einen kleinen Weg bauten. Dahinter begann eine kleine „Waldstraße“ die später in die Straße nach Gomel einmündete.
Nach einigen Kilometern endete der Wald zur Linken und ein kleiner Weg führte links ab zu der etwa einen Kilometer entfernten Ortschaft Gibutschi, wo wir befehlsgemäß Quartier bezogen. Als Zugführer stellte ich, da wir alleine und ohne jeglichen Anschluss an andere Truppenteile waren im Ort Wachen auf. In der Nacht verstärkte ich diese, denn im Nordosten war Gewehr- und MG-Feuer zu hören, das gegen Morgen immer näher kam.
Morgens gegen 04:00 Uhr, es war Sonntag der 17. August, fuhr ich mit Begleitung zu der Straße, von der wir am Tag zuvor abgezweigt waren. Dort stand am Abend eine Pak, mit Schussrichtung auf die aus dem Wald kommende Straße. Doch die Kanone war abgezogen worden. Aus dem Wald heraus kamen Fahrzeuge aller Art, deren Begleitmannschaften nach rückwärts in den Wald hinein schossen.
Auch einige Offiziere waren dabei, von denen ich erfuhr, dass sowjetische Kräfte zwischen ihrer 134. und unserer 260. Infanteriedivision durchgebrochen waren. Ferner gaben sie mir den Rat, mit meinen Fahrzeugen in Richtung Gomel abzuziehen, was ich auch sofort veranlasste.
In der Zwischenzeit hatten aber russische Schützen den gegenüberliegenden Waldrand besetzt und feuerten nun auf die Straße. Mit meiner Mannschaft, außer den Fahrern, sowie einigen Pionieren und Nachschubleuten der zuvor im Wald überraschten Einheiten bildete ich eine Abwehrstellung und sicherte so den Abzug unserer Fahrzeuge.
Der wertvolle, unersetzliche Werkstattwagen und andere mit Ersatzteilen beladene Fahrzeuge konnten ausweichen, wogegen der letzte und schwerste Wagen im sandigen Boden wühlte und ein sank, um später durch Beschuss in Flammen aufzugehen. Verluste traten auf unserer Seite zum Glück nicht ein. Ob wir selbst Wirkung beim Gegner erzielten, war nicht auszumachen.
Nachdem die Kolonne in Richtung Gomel abgefahren war, rückte ich mit meinen Soldaten nach. Nach etwa zwei Kilometern kam uns Infanterie entgegen. In einer Waldlichtung stellte ich die Fahrzeuge zu einer Art Wagenburg zusammen, beließ die Fahrer dort und meldete mich beim Infanteriekommandeur. Ihm berichtete ich auch über unsere Feindberührung und meine Anordnung für unsere Kolonne, was er dem Soldaten des ersten Weltkrieges gegenüber lobend anerkannte. Wieder war es Oberst Hahm. Wir Werkstattsoldaten wurden dann zwischen die Infanteristen eingewiesen. Ich kam neben einen Unteroffizier Meier, wahrscheinlich ein Badener. In geöffneter Ordnung ging es Richtung Gibutschi auf den Waldrand zu. Ein nennenswertes Feuergefecht gab es nicht mehr, da der Gegner bereits nach rechts ausgewichen war. Danach meldete ich mich ab und wir setzten die fahrt nach Gomel fort, wo wir am anderen Tag wieder zur Kompanie stießen, die uns schon abgeschrieben hatte – das waren die Begegnungen mit unserem „unbequemen“ Vorgesetzten General Hahm.
Karl Lorch