Die 260. Infanteriedivision, zu 2 Dritteln in Württemberg, zu einem Drittel in Nordbayern und im Sudetenland (so wie mein Großvater Michael Korn) aufgestellt, stand vom September 1939 bis April 1940 im südlichsten Abschnitt der Oberrheinfront.
Dort hatten sie Gelegenheit, durch Späh- und Stoßtruppunternehmen über den Rhein zu zeigen, dass sie an kämpferischem Wert keiner anderen Division nach stand.
Die Division wurde im April abgelöst und ab 20. Mai 1940 aus dem Raum Reutlingen bis zur luxemburgischen Grenze transportiert. Sie trat am 24. Mai aus dem Ausladeraum um Bitburg den Marsch über Clerf – St. Hubert auf den Maasübergang Monthermé an.
Am 30. Mai 1940 wurde die Division dem XIII. Armeekorps unterstellt, ging in der Nacht vom 01. auf den 02. Juni über die Maas und erreichte in der Nacht vom 02. auf den 03. Juni als Reservedivision des Korps den Raum südwestlich Signy l’Abbaye. Die Erwartung, mit in die Angriffsfront der 17. und 21. Infanteriedivision eingegliedert zu werden, erfüllte sich nicht.
Das Pionierbataillon der Division – das Heerespionierbataillon 653 – geführt von Major Reinicke, wurde auf Befehl des Korps der 17. Infanteriedivision unterstellt und in der Nacht vom 03. auf den 04. Juni nach Herbigny zugeführt. Der Kommandeur, ein besonders tüchtiger und bewährter Pionieroffizier, leitete sofort die notwendigen Erkundungen der Übergangs- und Übersetzverhältnisse bei Château-Porcien ein. Er meldete bereits nach den ersten Ergebnissen, dass die Verhältnisse dort außerordentlich schwierig seien.
Das Generalkommando befahl am 04. Juni 1940 die Unterstellung der gesamten Divisionsartillerie unter die vorn eingesetzten Divisionen. In der Nacht vom 05. auf den 06. Juni wurden zugeführt und unterstellt:
Der Regimentsstab (Oberst Axel Schmidt), die I. und III. Abteilung des Artillerieregimentes 260 und die IV. / Artillerieregiment 169 (jetzt IV. / Artillerieregiment 260) der 17. Infanteriedivision aus Nürnberg und die II. Abteilung des Artillerieregimentes 260 der 21. Infanteriedivision aus Königsberg.
Die 260. Infanteriedivision lag mit der Masse im Biwak in und um die mit französischer Munition voll gestopften Wälder. Der nächtliche Besuch einzelner feindlicher Flieger richtete keinen Schaden an.
Der Korpsbefehl für den Angriff am 09. Juni 1940 sah für die Division ein Heranrücken an die Aisne vor. Die Division trat um 21:00 Uhr an, nachdem die Truppe den ganzen Tag den Kampflärm an der Aisne mit Neid und in der Hoffnung gehört hatte, doch noch gebraucht zu werden. Der Divisionsstab wechselte in das Schloss Arnicourt.
Das der 17. Infanteriedivision unterstellte Heerespionierbataillon 653 musste sich durch Bildung von Stoßtrupps unter Führung des Bataillonskommandeurs, des Adjutanten und eines Feldwebels die Voraussetzungen für einen Übergang über die Aisne und den Kanal selbst schaffen.
Die Artillerie der Division schoss im Feuerplan der 17. und 21. Infanteriedivision die Angriffsvorbereitung und beteiligte sich mit vorgeschobenen Beobachtern auch noch an den Kämpfen südlich der Aisne.
Der Korpsbefehl Nr. 38/40 vom 09. Juni 1940 erwähnte in der Bezeichnung der erreichten Erfolge: „Unter schwierigsten Verhältnissen wurde Aisne und Kanal an mehreren Stellen überbrückt und damit den Panzerverbänden der Übergang noch am 09.06.1940 ermöglicht. Hierbei zeichnete sich besonders Major Reinicke mit seinem Pionierbataillon bei Château-Porcien aus.“
Am 10. Juni 1940 lag die 260. Infanteriedivision über den Tag mit der Masse hinter der ostpreußischen 21. Infanteriedivision, aber noch nördlich der Aisne.
Die zu den anderen Divisionen abgestellten Artillerieabteilungen konnten nicht herangezogen werden, weil das Vorrollen der Panzerverbände jede Querbewegung verbot.
Das Infanterieregiment 460 unter Oberst Oppenländer wurde am Nachmittag des 10.06.1940 der 21. Infanteriedivision unterstellt und über die Aisne zugeführt.
Es sollte durch Angriff von Westen auf die Höhen südlich von Thugny – Thrugny dem links benachbarten XXIII Korps Luft verschaffen. Dem Regiment wurde die II. Abteilung des Artillerieregiments 260 aus ihren Stellungen nordwestlich von Rethel zugeführt und unterstellt. Der Angriff kam wegen der starken Brückenbelegung bei Barby nicht mehr in Gang. Lediglich die Gefechtsaufklärung stellte bei einbrechender Nacht die Besetzung von Biermes fest.
Am späten Nachmittag trat die Division in Richtung auf die Aisne-Brücke bei Acy-Romance an um am 11.06.2013 mit möglichst starken Teilen südlich der Aisne zu stehen. Als die Spitze des am Anfang befindlichen Infanterieregiments 470 gegen 19:00 Uhr die Brücke erreichte, wurde diese Brücke Panzerbrücke. Die marschierenden Teile der Division machten die Straße frei und rasteten. Trotzdem gelang es im Laufe der Nacht noch, starke Teile des Infanterieregiments 470 über die Aisne zu bringen.
Am Abend traf der Korpsbefehl ein, dass die 260. Infanteriedivision am 11.06.1940 durch Angriff in südostwärtiger Richtung dem linken Nachbarn (XXIII. Armeekorps) Luft zu verschaffen und den Aisne-Übergang zu ermöglichen habe. Die Befehle der Division für den Aisne-Übergang konnten infolge der stark mit Panzertruppen belegten Straßen nur die Anweisung erhalten, durch Lücken und auf Nebenwegen an oder über die Aisne bei Acy-Romance zu kommen.
Der Divisionsgefechtsstand der 260. Infanteriedivision zog am 11.06.1940 ab 05:00 Uhr nach Acy-Romance um. Als Trennungslinie der für den Angriff bestimmten Infanterieregimenter 460 und 470 war die große Straße Rethel – Pauvres befohlen.
Das Infanterieregiment 460 sollte um 05:00 Uhr unter Ausnutzung der am Vorabend eingenommenen Bereitstellung und Gefechtsaufklärung antreten. Infanterieregiment 470 sollte mit dem während der Nacht über die Aisne-Brücke bei Acy-Romance gegangenen Teile links gestaffelt folgen.
Der Gegner hatte während der Nacht mit der Masse seine Stellungen verlassen. Das Infanterieregiment 460 räumte ab 05:00 Uhr mit Stoßtrupps Biermes aus, wo noch Nachhuten sich wehrten, stieß längs der großen Straße über Ménil-Annelles vor und machte in kurzen Gefechten über 100 Gefangene.
Das überraschend schnelle Vorgehen des Regiments und der geringen Feindwiderstand verwiesen alle in dieser Richtung folgenden Teile auf die Straße Rethel – Pauvres. Erst bei Pauvres gab es einen kurzen Aufenthalt, da die 6. Panzerdivision eingeholt war und nunmehr die Division mit 2 Regimentern den Angriff über die Linie Cauroy– Machault fortzusetzen hatte. Am Mittag drängten hinter der Division bereits Teile des bisherigen linken Nachbars (die 86. Infanteriedivision des XXIII. Armeekorps) auf der gleichen Strasse nach, so das die nicht sofort benötigten Teile der 260. Infanteriedivision nach dem Aisne-Übergang im Streifen der 21. Infanteriedivision in Richtung Perthes folgen mussten. Die inzwischen vorgezogene und durch die 1. Kompanie der Panzerjägerabteilung 260 verstärkte Aufklärungsabteilung 260 wurde von Pauvres aus ostwärts ausholend und über Dricourt nach dem Wald ostwärts von Les Baraques (etwa 2 ½ Kilometer ostwärts von Machault) aufklärend angesetzt. Sie war auf enge Verbindung mit den auf Machault vorstoßenden Teilen der 6. Panzerdivision hingewiesen. Hierbei kam es noch zu einem kurzen, schweren Gefecht um Machault.
Es war der 260. Infanteriedivision gelungen, am 11. Juni in kurzen Gefechten und fast pausenlosen Märschen am Abend annähernd in einer Linie mit den beiden anderen Divisionen des XIII. Armeekorps zu stehen. Der Divisionskommandeur hatte bereits mit dem kommandierenden General des XXXXI, Panzerkorps die gemeinschaftliche Fortsetzung des Angriffs für den 12. Juni 1940 festgelegt, als ein Befehl des XIII. Armeekorps eintraf. Danach wurde die 260. Infanteriedivision wieder Korpsreserve und hatte sich in ihrer derzeitigen tiefen Staffelung in den Streifen der 21. Infanteriedivision hineinzuschieben. Das vorgesehene Stabsquartier in Bignicourt war noch vom Feind besetzt. Der Divisionsstab ging während der Nacht nach Ville sur Retourne. Die Bewegungen der Formationen, die z.T. senkrecht zur bisherigen Angriffsrichtung liefen, nahmen wegen der zwangsläufigen Straßenverstopfungen die ganze Nacht in Anspruch.
Wegen der Straßenverstopfungen durch die Panzertruppen blieb die Division in folgenden Räumen liegen:
- verstärktes Infanterieregiment 470 und Aufklärungsabteilung 260 im Wald südlich Cauroy,
- verstärktes Infanterieregiment 460 und Pionierbataillon 653 im Bois du Cauril,
- verstärktes Infanterieregiment 480 um Bignicourt und Ville sur Retourne, dort auch die Panzerjägerabteilung 260 und die Nachrichtenabteilung 260.
In Bignicourt wurden am Mittag des 12. Juni 1940 noch französische Soldaten aus den Kellern geholt und gefangen genommen.
Am 13.06. trat die 260. Infanteriedivision, weiterhin als Korpsreserve, um 06:00 Uhr den Vormarsch an und erreichte mit vordersten Teilen befehlsgemäß Sainte-Marie-à-Py. Dort wurde ab 09:00 Uhr das Stabsquartier bezogen. Die Truppe räumte in den Rasträumen Straßensperren auf.
Am 14.06. folgte die Division, weiterhin Korpsreserve, bis in den Raum Herpont – Dampierre – Somme-Bionne – La – Auve. Das Divisionsstabsquartier befand sich in Herpont. Die vordersten Teile treten um 04:00 Uhr von Sainte-Marie-à-Py an.
Am folgenden Tag erreicht die Division auf einer Marschstraße den Raum St. Mard sur le Mont – Varimont – Dommartin sur Yèvre. Das Divisionsstabsquartier befand sich in St. Mard sur le Mont. Sie konnte, um nicht auf die am Rhein-Marne-Kanal kämpfenden vorderen Divisionen aufzulaufen, erst ab 12:00 Uhr antreten.
Am 16.06.1940 ging die Division mit 2 Regimentsgruppen über die Brücke bei Revigny, mit einer Regimentsgruppe auf der Brücke in Contrissont über den Rhein-Marne-Kanal. Sie erreichte befehlsgemäß den Raum zwischen Couvonges und dem Rhein-Marne-Kanal. Der Stab befand sich in Mogneville. Der Übergang an den beiden Brücken verzögerte sich durch den Stau um Stunden.
Am 17.06.1940 hatte die Division auf einer Marschstraße zu folgen. Als Tagesziel war für die vordersten Teile Poissons vorgesehen. Staus durch Flak, Straßenbaueinheiten und Korpstruppen verzögerten das Marschtempo. Als dazu noch trotz des entgegen lautenden Befehls die Nachschubdienste der 21. Infanteriedivision von Osten her auf die Vormarschstraße kamen und stecken blieben, stand fest, dass die Tagesziele nicht mehr erreicht werden würden. Die Einheiten des vordersten Regiments erreichten die kürzer gesteckten Ziele erst am 18.06. zwischen 06:00 und 07:00 Uhr und mussten nach 2-stündiger Rast im Raum nordwestlich von Osne le Val wieder antreten. Das Stabsquartier der Division lag in Poissons.
Die Tagesziele wurden trotz der entgangenen Nacht erreicht. Die Division schloss bis zum späten Abend des 18.06. auf die bei Darmannes und Mareilles kämpfenden vorderen Divisionen in den Raum Andelot – Doulaincourt – Rimaucourt auf. Die Truppe war stark angestrengt. Der Stab lag in Roches sur Reugnon. Am Abend traf der Korpsbefehl für die Ablösung der 17. Infanteriedivision durch die 260. Infanteriedivision ein.
Die 260. Infanteriedivision, die in der Nacht hinter der linken 21. Infanteriedivision lag, musste schräg zur Vormarschrichtung in den Streifen der 17. Infanteriedivision verschoben werden und dann über diese hinweg die Tagesziele erreichen. Sie stieß auf keinen Feind und konnte die Voraus- und Aufklärungsabteilung in großen Sprüngen zu den Tageszielen vorantreiben. Das I. Bataillon des Infanterieregiments 460 wurde mit den freigemachten Kraftfahrzeugen der zunächst bis dicht vor Langres vorgeworfenen und sichernd eingesetzten Panzerjägerabteilung nachgezogen.
Bis zum späten Abend erreichte die Division mit den vordersten Teilen die Linie südlich Langres – St. Vallier und ging im Raum Langres – Thivet – Changey – St. Maurice zur Ruhe über. Die Division hatte damit, zum großen Teil auf Nebenstraßen, in 3 Tagen 150 Kilometer zurückgelegt. Die ersten 90 Kilometer waren nur von 2 Stunden Rast unterbrochen, ohne Nachtruhe bewältigt worden. Die Marschausfälle waren gering.
Da nach dem Korpsbefehl nicht mit Feindberührung zu rechnen war, wurden nach Entladung der kleinen Kraftfahrkolonnen je ein Bataillon des Infanterieregimentes 460 und 480 verladen und bis zu den Tageszielen nach vorn geworfen. Voraus erreichten die Panzerjägerabteilung 260 und die Aufklärungsabteilung 260 Thil-Châtel und Lux in einem Zuge. Auf der großen Straße zwischen Langres und Dijon bewegten sich die unübersehbaren Züge von zurückkehrenden Flüchtlingen nach Norden.
Sie mussten im Interesse des schnellen Vormarsches abgeleitet und von der Straße gewiesen werden. Zwischen den Flüchtlingen marschierten einzeln und in Gruppen französische Soldaten, die deutsche Gefangenenlager oder die Freiheit suchten.
Die Division erreichte am 21.06.1940 ohne Feindberührung den Raum Longvic – Ruffey – Chevigny – Bretenières. Auch an diesem Tag mussten starke Kommandos unter Führung von Offizieren die nach Norden strömenden Elendszüge der Flüchtlinge von den Straßen gewiesen werden. Die große Straße Langres – Dijon – Chalon-sur-Saône – Lyon war Nachschubstraße der auf Grenoble vorgestoßenen Panzergruppe Kleist und deshalb besonders stark belegt.
Am Vormittag des 21.06. kam fernmündlich ein Befehl des Generalkommandos, dass zur Unterstützung der Gruppe Kleist eine gemischte motorisierte Abteilung unter Führung des Generalmajors Zehler, Artilleriekommando 15, zusammenzustellen und in Nuits-Saint-Georges zu versammeln sei. Die 260. Infanteriedivision hatte dazu die Aufklärungsabteilung 260, 3 große Fernsprechtrupps, einen Fernsprech-Betriebstrupp und einen kleinen Funktrupp abzustellen.
Am 22.06. taucht in den Befehlen zum ersten Mal der Begriff „Demarkationslinie“ auf. Drei Tagesmärsche waren bis zu dieser Linie vorgesehen. Die Division trat um 04:30 Uhr mit den vordersten Teilen an und erreichte den Raum Beaune – Nuits-Saint-Georges – Meursanges. Der 23. und 24.06.1940 dienten dazu, die Demarkationslinie zu erreichen, zu besetzen und die Masse der Truppe in Quartiere zu bringen, die für einen längeren Aufenthalt geeignet waren. Das Divisionsstabsquartier wurde am 23.06. nach Schloss Rully verlegt, dort verblieb es bis zum Abrücken der Division am 05. Juli 1940.
Die Demarkationslinie, die der Division später noch viele Kopfschmerzen bereiten sollte, war zunächst eine harmlose, gedachte Linie, an deren Schnittpunkten mit den nach Süden führenden Straßen Posten sicherten. Da kein Feind mehr da war, für die Einschränkungen des Zivilverkehrs aber noch keine Bestimmungen vorlagen, registrierten die Posten zunächst mit Genugtuung, dass der Drang nach Südfrankreich auch das bisher so weit vorn noch nicht gesichtete Heeresgefolge ergriffen hatte.
Die Unterbringung war brauchbar, im westlichen Chalon-sur-Saône gelegenen bergigen Raum war sie ärmlich. Die Bevölkerung war freundlich und machte keine Schwierigkeiten.
Im Laufe der folgenden Wochen flossen auch die in diesem Gebiet geborgenen Luxemburger und Elsass-Lothringer wieder ab. Von der materiellen Seite aus betrachtet, kann man wohl über den Verlauf des Lebens der nächsten Wochenschreiben: „Wie Gott in Frankreich!“
Aus dem Kriegstagebuch der 260. Infanteriedivision